Silke und Micha in Chile

Sonntag, 5. August 2007

Aus 1 mach 3, oder die Suche nach einem Trafo

Nachdem wir unsere Einrichtung ja aus Deutschland mit nach Chile gebracht hatten und deshalb bisher nicht im großen Stil Möbel etc. kaufen mussten - wir haben eher gelegentlich und nie unter Druck ein paar Sachen erstanden - ergab sich vor einigen Wochen doch eine Art "Notsituation". Funktionierte doch von einem auf den anderen Tag unsere Halogen-Esszimmerlampe nicht mehr. Micha prüfte zunächst die Leuchten, stellte aber schnell fest, dass der Transformator sein Leben ausgehaucht hatte. Tja, auch die Qualitätsware eines schwedischen Möbelhauses hält halt nicht ewig...
Da wir die alte Lampe aber behalten wollten, war klar, dass ein neuer Trafo her musste. Nur wo findet man in Santiago einen passenden?
Erschwerend kam hinzu, dass Micha zwei Tage später zu einer Konferenz nach Paris flog, vorher also kaum die Chance bestand das Problem zu lösen und Silke so schon mal 2 Wochen im Halbdunkel zu Abend essen musste. Nach Michas Rückkehr ging es samstags direkt frisch ans Werk.
Erster Versuch war natürlich einer der großen Baumärkte. Tatsächlich haben diese immer eine Lampen-, Schalter & Steckdosen- und Elektroabteilung. Nach einigem vergeblichen Herumsuchen zeigten wir den ausgebauten alten Trafo einem Verkäufer mit der Bitte um Hilfe. Der sah sich das Kästchen kurz an und meinte dann, er hätte nur Trafos für die Steckdose und wir sollten doch so einen nehmen. Ein von der Deckenlampe herunterhängendes Kabel bis zur nächsten Steckdose war aber nicht nach unserem Geschmack, von der sicherlich zu kleinen Leistung eines solchen Trafos mal ganz abgesehen. Im zweiten Baumarkt, sozusagen bei der direkten Konkurrenz, konnte man uns ebenfalls nicht weiterhelfen und auch auf die Frage nach einem Alternativladen ernteten wir nur ein Schulterzucken des Verkäufers; vielleicht in einem größeren Lampengeschäft, nur wo gab es ein solches?
Es verging erstmal wieder eine Woche mit Abenden in auf die Dauer nicht mehr romantischer Düsternis. Das bisschen Licht von dem Strahler aus unserem Flur war einfach zu schwach um gemütlich im Wohn-/Esszimmer zu sitzen. Silke machte schon den nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag doch eine der im Fernsehen ständig beworbenen "fantastischen" Sticking Bulbs zu bestellen, eine Art batteriebetriebener Glühbirne, die man einfach irgendwo festkleben kann und so immer und überall Licht hat - zumindest solange die Batterie noch Strom liefert. Da das auch nicht die perfekte Lösung zu sein schien, machten wir uns am folgenden Wochenende wieder auf die Suche.
Micha hatte die Idee, es in der Innenstadt zu versuchen. Er kannte dort einen großen Elektronikladen, das Casa Royal, direkt an der Alameda; also nichts wie hin. Leider wieder das gleiche Szenario. Immerhin bekamen wir auf Nachfrage die Adresse eines weiteren Ladens genannt, gleich zwei Straßen weiter. In dem von außen völlig unscheinbaren Geschäft konnte man uns zwar auch keinen passenden Trafo verkaufen; wir bekamen aber wieder eine Adresse diesmal mit dem Zusatz "im Keller". Ohne diese Information hätten wir das Geschäft auch nie gefunden. Ganz versteckt, am Ende einer schmalen Treppe im Untergeschoss eines Bürogebäudes lag ein winziger Verkaufsraum. Micha fühlte sich in seine Jugend zurückversetzt, wo man die Einzelteile für elektrische Schaltungen oder Computerhardware auch in Deutschland so einkaufte - Zeiten als es noch nicht in jeder größeren Stadt eine Filiale von Conrad-Electronics gab. 3-4 Quadratmeter Stehfläche für Kunden, dahinter eine vollgestellte Glastheke und an den Wänden und auf dem Boden kistenweise etliches an Elektronikbauteilen, eine typische Fundgrube für Bastler, nur leider wieder kein geeigneter Transformator. Die nette Verkäuferin hatte diesmal aber gleich zwei Tipps auf Lager, dummerweise in völlig entgegengesetzten Richtungen und eine weit außerhalb jeglicher Laufdistanz. Die Sache schien zu einer wahren Schnitzeljagd durch Santiago zu werden.
Interessant ist auch, dass wir so gut wie nie den Namen eines Geschäftes, sondern immer nur Straße und Hausnummer gesagt bekamen. Vielleicht eine Art Schleichwerbung zu vermeiden, indem man nur die Adresse angibt? Aber genau genommen reicht diese Angabe ja auch und wer merkt sich schon Namen.
Wir jedenfalls beschlossen immer noch zu Fuß die näher gelegene Adresse aufzusuchen, die gut 15 Blocks entfernt war. Auf dem Weg dorthin ging es durch einen bisher noch nicht besuchten geschäftigen Teil Santiagos. Hier wurden vor allem jegliche Autoersatzteile und massenweise Fahrräder angeboten. Fragt sich nur, wo all die verkauften Bicicletas bleiben, auf den Straßen von Santiago zumindest sieht man äußerst selten mal ein Fahrrad, was aufgrund des starken Verkehrsaufkommens und der fehlenden Radwege mehr als verständlich ist. Unterwegs fanden wir ein kleines Geschäft, das ausschließlich Transformatoren verkaufte, eigentlich genau das was wir gesucht hatten. Hinter dem Verkaufstresen saß Zeitung lesend eine Frau, die auf unsere Frage - sie schaute unserem alten Trafo nicht einmal an - sofort antwortete, dass sie so etwas nicht führen würden. Völlig verkehrte Welt wie es schien. Micha wäre fast ausgerastet. Da die Frau aber anscheinend sowieso keine Ahnung von Elektrik hatte, machte es keinen Sinn zu diskutieren. Wir also noch 2 Blocks weiter zu unserem eigentlichen Ziel.
An der Ecke Avenida Matta mit San Diego erreichten wir endlich die Casa Musa, wieder ein recht großes Elektrogeschäft. Die Hoffnung stieg nach dem letzten Tiefschlag wieder etwas. Wir stellten uns in die Schlange und warteten bis wir an der Reihe waren. Der Verkäufer sah sich unseren Trafo genau an, überlegte etwas - schon mal ein Anfang - meinte dann aber, dass er leider keinen Ersatz hätte. Silke erzählte dann, dass wir schon in 5-6 Geschäften gewesen wären und so langsam keine Ideen und auch keine Lust mehr hätten, woraufhin der Angestellte uns wiederum eine neue Adresse angab. Der Laden wäre nur 2 Blocks entfernt, würde sich Transformadores irgendwas nennen und hätte mit Sicherheit ein passendes Gerät. Mit letzter Kraft machten wir uns auf den Weg, wobei Micha kurzzeitig darüber nachdachte, ob es sich wohl zufällig um den gleichen Laden handelt, in dem wir vorher so rüde abserviert wurden. Zum Glück stellte sich diese Vermutung aber als falsch heraus.
Wir betraten ein mittelgroßes Geschäft, in dem sich zwei männliche Verkäufer um mehrere Kunden kümmerten. Während des Wartens schaute sich Micha schon mal um und Silke lauschte den Verkaufsgesprächen, alles recht viel versprechend. Als wir an der Reihe waren schaute sich der Angestellte unseren Trafo an, meinte er hätte zwar ein von den Leistungsdaten ähnliches Modell, dieses wäre aber deutlich größer. Nachdem wir ihm ausführlich erklärt hatten, dass der Trafo in unsere Lampe passen müsse, überlegte der Verkäufer kurz, fragte dann wie viele Halogenstrahler die Lampe denn hätte und schlug uns vor, jeden der drei Strahler an einen eigenen Trafo anzuschließen. Die entsprechenden Transformatoren wären klein - er holte gleich einen zur Ansicht - und würden auch nur je 2,800 Pesos (etwa 4 Euro) kosten. Micha schaute sich die Leistungsdaten an, meinte, dass rechnerisch sogar zwei dieser Trafos ausreichen müssten und zwei auf jeden Fall auch in das Lampengehäuse passen würden. Nach kurzer Diskussion entschieden wir uns dann aber doch für drei Exemplare, was das Verkabeln etwas einfacher macht und zudem noch eine Leistungsreserve bereithält. Wie in Chile üblich bekamen wir eine Rechnung ausgestellt, die wir dann am Kassenschalter gegenüber bezahlten. Wie wir feststellten, hatte uns der Verkäufer sogar von sich aus noch 400 Pesos Mengenrabatt gegeben, super nett und zudem noch kompetent. Mit der Quittung ging es danach wieder zurück zu unserem Verkäufer, wo wir gegen Vorlage der Quittung die Ware entgegennehmen konnten.
Nach mehr als 2 stündiger Wanderung durch (wie es uns schien) alle Elektroläden Santiagos waren wir endlich erfolgreich gewesen. Man muss nur lange genug suchen, darf die Hoffnung nie aufgeben und muss sich immer hartnäckig durchfragen, dann bekommt man alles.
Am Nachmittag schloss Micha dann alle Kabel an und baute die drei Transformatoren in unsere Lampe ein (Mit etwas Drücken passten sie gerade so in das Gehäuse) und nach gut 10 Minuten Arbeit hatten wir endlich wieder Licht an unserem Esszimmertisch.
Fazit: Drei Trafos statt einem, funktioniert perfekt, war für deutsche Maßstäbe auch noch recht günstig, wenn auch langwierig und nervig und hat den Vorteil, dass wir in Zukunft wohl nie mehr völlig im Dunkeln sitzen werden, denn die Wahrscheinlichkeit, dass drei Trafos gleichzeitig ausfallen ist verschwindend gering.