Silke und Micha in Chile

Donnerstag, 16. August 2007

Rückblick

Wow, so schnell kann das gehen. Die Zeit verging rasend schnell und schon ist unser erstes Jahr in Chile vorbei.
Ziemlich genau können wir uns noch erinnern, wie wir am Morgen des 16.08.2006 nach 13-stündigem Nachtflug aus Madrid hier in Santiago ankamen. Etwas verloren waren wir am Anfang aufgrund unserer praktisch nicht vorhandenen Spanisch Kenntnisse ja schon - nein, hier spricht man doch kein Englisch, warum auch, wo ganz Südamerika spanischsprachig ist... Ganz Südamerika? Nein! Ein von unbeugsamen Brasilianern bevölkertes Land hört nicht auf sprachlichen Widerstand zu leisten. Aber selbst das funktioniert, da Portugiesisch und Spanisch so ähnlich sind, dass selbst Micha einem mathematischen Vortrag auf Portugiesisch grob folgen kann.
In der Uni funktionierte alles recht reibungslos - klar, da sprechen die meisten ja Englisch - und wir konnten erstmal unsere Gästewohnung beziehen. Die nächsten größeren Herausforderungen taten sich jedoch schon in Form von offiziellen Anmeldeformalitäten und der Suche nach einer eigenen Wohnung auf. Diese Hürden meisterten wir nur mit einiger zusätzlicher Hilfe (Vielen Dank an ChileInside!) und so war klar, dass wir ohne Spanisch nicht lange in Santiago überleben würden. Silke begann daher fleißig einen 3-monatigen Spanisch-Intensivkurs und damit ging dann vieles leichter.
Nachdem wir uns in Santiago gut genug auskannten, wir unsere neue Wohnung bezogen und auch die chilenischen Nationalfeiertage gut überstanden hatten - wir freuen uns schon auf den nächsten Dieciocho in gut 4 Wochen, wagten wir bereits im Oktober erste Ausflüge in die Umgebung. Das Wochenende in La Serena gefiel uns dabei am besten und wir werden sicherlich nochmal einen Kurztrip dorthin unternehmen.
Da Silke nach drei Monaten Sprachkurs der Sinn nach etwas anderem stand, nahm sie das Jobangebot von ChileInside an - die neuen Kolleginnen kannten wir ja schon von unserer Wohnungssuche - wo Silke inzwischen seit Dezember arbeitet. Auch wenn sie von Zeit zu Zeit das Unterrichten an der Schule vermisst, gefällt ihr die neue Aufgabe und die Arbeit macht Spass.
Eine interessante Erfahrung war dann unser erstes Weihnachtsfest im Sommer, so ganz anders als in Deutschland und aufgrund der hohen Temperaturen ganz ohne Weihnachtsplätzchen und Glühwein. Dafür hatten wir aber einen Araukarien-Weihnachtsbaum und Geschenke gab es natürlich auch.
Das dank der Arbeit im Büro immer besser werdende Spanisch von Silke nutzten wir im Januar um ein Auto zu kaufen und seither begleitet uns El Rojo auf unseren Ausflügen. Mit dem neuen Flitzer waren wir zudem gut gerüstet für unseren Urlaub. Im Februar bereisten wir in einer Woche die Regionen zwischen Chillan und Pucon und lernten so etwas mehr vom Land kennen. Kurz darauf bekamen wir dann Besuch aus Deutschland. Silkes Eltern blieben drei Wochen in Chile, wir verbrachten eine gemeinsame Woche in der Region Los Lagos, wo man den aus der Kolonialzeit stammenden deutschen Einfluss noch deutlich spüren kann und unternahmen zusammen einige nette Wochenendausflüge. Chile scheint den beiden so gut gefallen zu haben, dass sie uns in einer Woche schon wieder besuchen werden.
Ostern verlief nicht viel anders als in Deutschland, selbst wenn hier der Ostermontag kein Feiertag ist. Nach einem langen heißen chilenischen Sommer kehrte langsam der Herbst ein. Noch immer war das Wetter aber ausgezeichnet und wir unternahmen mehrere Wochenendausflüge mit El Rojo. Die Fahrt nach Mendoza war dabei sicher das Highlight.
Ab Juni hielt dann der chilenische Winter Einzug. Zwar gab und gibt es immer noch einzelne sonnige Tage, an denen die Temperaturen bis auf knapp 20 Grad ansteigen, meist ist das Wetter aber grau, der Himmel wolkig und die Temperaturen liegen um die 5 Grad. Auch die Regenwahrscheinlichkeit, die im Sommer praktisch bei Null liegt, steigt deutlich an und sogar Schnee kann es ausnahmsweise einmal geben. Vielleicht nicht die allerbeste Zeit für einen Besuch in der Hauptstadt oder im jetzt unwirtlichen Patagonien. Aber immer nur Sommer und Sonne wäre ja auch langweilig und wenn einem das winterlich smogverhangene Santiago zu viel wird, kann man ja in den Hohen Norden fliegen oder ein Wochenende an der Küste oder in den nahegelegenen Skigebieten in den Anden verbringen. Da ist die Luft viel besser und oft spielt auch das Wetter mit. Aus unserer Erfahrung vom letzten Jahr wissen wir aber, dass der Winter nur noch bis Anfang September dauern wird. Danach ist dann wieder schwitzen angesagt.
Fast erschreckend ist, wie gut wir uns nach nur einem Jahr hier eingewöhnt haben. Die typisch chilenischen Eigenheiten bringen uns nur noch selten aus der Fassung und mit hartnäckigem Nachfragen kommen wir auch meist ans Ziel. Inzwischen haben wir sogar schon einige chilenische Unarten angenommen. So sind uns "Bei Rot über die Ampel gehen" oder "Auch bei dunkelst-orange noch fahren" schon in Fleisch und Blut übergegangen.
Die leckere chilenische Küche mit ihren deftigen Speisen, viel Fleisch (aber auch Fisch) machte es uns leicht sich auch kulinarisch einzuleben. Die sehr beliebten Fast-Food-Gerichte wie Empanada (verschieden gefüllte Teigtaschen), Completo (eine Art Hot-Dog "mit alles"), Churrasco (warmes Rindfleisch-Sandwich) oder Hamburgesa konkurrieren zu Mittag mit traditionellen Eintöpfen (Carbonada, Charquican, Porotos) und Aufläufen (Pastel de Choclo, Pastel de Papa, Asado Aleman). Abends darf es dann etwas mehr sein. Ein üppiges Essen im Restaurant, das niemals vor 20:00 Uhr beginnt, ist ohne einen Pisco Sour als Aperitif, eine Vorspeisenplatte inklusive Brot und Pepre (Zwiebel-Tomaten-Koriander-Öl-Mischung), ein Hauptgericht, Wein, ein süßes Postre (Nachtisch) und den typischen Pulverkaffee nicht komplett und zieht sich normalerweise über 1,5-2 Stunden hin. Klar, dass man da nicht abnimmt. Unsere Favoriten können wir dank eines chilenischen Kochbuches seit kurzem sogar zu Hause nachkochen.
Die fantastische und unheimlich vielfältige Natur und die atemberaubenden Eindrücke, die wir bisher sammeln und teilweise in Bildern festhalten konnten, tragen ihren Teil dazu bei, dass es uns hier sehr gut gefällt. Wo sonst findet man so viele geographische Rekorde? Ein nur 100km breites, dafür aber über 4000km langes Land; die trockenste Wüste der Erde mit ihren astronomischen Observatorien und dem trockenster Ort der Welt (Piados); die längste Gebirgskette der Erde mit dem höchsten Berg (Aconcagua) außerhalb des Himalaja; ein gutes Dutzend großer Seen, sowie einer der höchsten Seen der Welt (Lago Chungara); zig Vulkane, unter anderem der höchste Vulkan der Welt (Ojos del Salado) und der höchste noch aktive Vulkan (Guallatiri); das bisher stärkste Erdbeben der Welt (im Jahr 1960 in Valdivia mit einer Stärke von 9,5 auf der Richterskala); riesige Waldflächen mit einzigartiger Tier- und Pflanzenwelt; reiche Bodenschätze; fischreiche Gewässer; üppige Landwirtschaft; mystische Inseln (Osterinsel, Chiloe); Gletscher und Inlandeis in Patagonien und dazu noch ein Anteil an der Antarktis und das alles auf einer Fläche (ohne das Antarktis-Territorium), die nur doppelt so groß wie Deutschland ist.
Insgesamt ziehen wir nach 12 Monaten ein sehr positives Fazit. Wir freuen uns auf das vor uns liegende zweite Jahr hier in Chile und hoffen auf genauso viele schöne, neue und spannende Eindrücke. Genug zu entdecken und erkunden gibt es ja.