Silke und Micha in Chile

Donnerstag, 9. August 2007

Schnee in Santiago (Bericht 19)

Da sage noch mal einer in Chile würde es keinen Winter geben!
Anders als noch vor einigen Tagen, als die Höchsttemperaturen bei sonnigen knapp 20 Grad lagen und keine einzige Wolke am blauen Himmel zu sehen war, präsentierte sich der gestrige Tag wieder einmal ungemütlich, mit bedecktem Himmel und ab mittags mit Regen. Die Temperaturen lagen bei 5-10 Grad. Am Abend spürte man eine nochmalige deutliche Abkühlung, während der Regen weiter anhielt. Wir waren beide froh, als wir nach der Arbeit endlich zuhause ankamen und es uns in unserer, dank Fußbodenheizung, mollig-warmen Wohnung gemütlich machen konnten. Da störte auch das Geräusch der gegen die Fenster fallenden Regentropfen nicht weiter.
Kurz vor 23:00 Uhr ging der Regen dann in Schnee über; ein Phänomen, das in der Innenstadt von Santiago zuletzt vor 8 Jahren, im September 1999 beobachtet werden konnte.

Schnee auf Santiagos Straßen, da staunten die Einwohner. (Photo: El Mercurio)

Dementsprechend waren natürlich auch die Reaktionen der Einwohner. Das espectáculo blanco musste sofort ausgiebig begutachtet und mit Handykameras festgehalten werden. Selbst Kinder waren um diese späte Uhrzeit noch auf den Straßen und Grünflächen der Stadt unterwegs, um den frischen Schnee zu genießen.

Palmen im Schnee, da bleibt man gerne mal stehen oder versucht direkt einen Schneemann zu bauen. (Photo: El Mercurio)

Als Micha gegen Mitternacht ins Bett gehen wollte, hatte unser Nachbarhaus schon eine richtige Schneehaube. Grund auch für ihn die Kamera aus dem Schrank zu kramen und vom Schlafzimmerfenster aus ein Bild zu machen.

Trotz einer Belichtungszeit von 2 Sekunden und ohne Stativ halbwegs gelungen.

Natürlich wurde Silke, die wie üblich schon um 22:30 Uhr schlafen gegangen war, vom Geräusch des Photoapparats wach und konnte so ebenfalls einen Blick auf die nächtlich-weiße Pracht werfen.

Die ungewöhnlichen Schneefälle dauerten bis in die frühen Morgenstunden an und erstreckten sich über die Stadtviertel im Osten (Las Condes, Lo Barnechea, Vitacura, Providencia) und im Zentrum der Stadt bis hin nach Quilicura, Quinta Normal, La Florida und Maipú im Westen.

Blick über die Dächer unserer Nachbarschaft in Providencia am frühen Morgen.

Die Niederschlagsmenge lag bei knapp 20 mm, was dann doch einer Schneeschicht von mehreren Zentimetern entspricht. Natürlich waren die Schneefälle in den höher gelegenen Stadtteilen, auf dem Cerro San Christobal und in den Anstiegen zur Anden-Vorkordilliere noch ausgeprägter.

Blick über das Nachbardach; die Bäume haben schon keinen Schnee mehr.

Bis 8:00 Uhr morgens war aber schon ein Teil des Schnees wieder weggetaut, was bei einer Außentemperatur von 0 Grad und der Abwärme der nur mäßig isolierten Wohnhäuser kein Wunder ist.

Die im Hof geparkten Autos hatten um Mitternacht eine dickere Schneeschicht als am Morgen.


Verglichen mit der Nachtaufnahme liegt viel weniger Schnee auf dem Dach (Sonnenseite).

Wie nicht anders zu erwarten führt der überraschende Wintereinbruch in Santiago zu kleineren Problemen. So gab es etliche Blechschäden, da die Autos auf den doch stellenweise glatten Straßen mit ihren Sommerreifen ins Rutschen kamen. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel waren in den frühen Morgenstunden wohl noch davon betroffen. Beispielsweise kamen die Busse in Lo Barnechea einen Hügel nicht mehr hinauf und mussten auf halber Strecke stehen bleiben. Im Cajón del Maipo und den Wegen, die in die Vorketten der Anden führen kam es teilweise zu Straßensperrungen und einige hochgelegene Siedlungen waren kurzzeitig von der Außenwelt abgeschnitten. Die Skigebiete am Westhang der Anden dürften sich dagegen über den Neuschnee gefreut haben.
Im Ostteil der Stadt brachen vom Schnee beschwerte Äste von den Bäumen und fielen auf die allerorts überirdisch verlegten Stromleitungen, wodurch Kurzschlüsse und kleinere Stromausfälle verursacht wurden.

In Lo Barnechea brach ein Wellblechdach unter der "Schneelast" zusammen. Besser man stellt sein Auto nicht unter eine so schwache Konstruktion. (Photo: El Mercurio)

Durch die niedrigen Temperaturen entstand zudem ein wahrer Run auf die Obdachlosenunterkünfte, so registrierte das eigentlich nur auf 240 Personen ausgelegte Refugio "Víctor Jara" bis Mitternacht 350 vor der Kälte schutzsuchende Menschen.
Inzwischen (um die Mittagszeit) hat sich die Gesamtsituation in Santiago wieder normalisiert, auch wenn der Bildungsminister den Schulen freigestellt hat, heute den Unterricht ganztägig ausfallen zu lassen. Dies scheint aber nur in den im Osten der Stadt und im Cajón del Maipo gelegenen Schulen wirklich nötig gewesen zu sein.
Auch Morgen und am Samstag soll die Minimumtemperatur in Santiago weiter bei -3 Grad liegen. Um es mit den Worten einer chilenischen Nachrichtensprecherin zu sagen "Estamos en el corazón del invierno."; von Herzenswärme ist da trotzdem nichts zu spüren. Voraussichtlich wird es aber keine weiteren Niederschläge mehr geben. Schnee liegt dann wohl nur noch in den Höhenlagen.

Stärker vom Winter betroffen scheinen dagegen die Regionen südlich von Santiago zu sein, wo es bereits seit zwei Tagen heftig geschneit hat.

Die palmenbestandene Plaza in Curicó. Während unseres Urlaubs im Februar sah es hier ganz anders aus. (Photo: El Mercurio)


Zu Fuß entlang der verschneiten Straße, das ist sicher kein angenehmer Ausflug und zudem kann man nur hoffen, dass die Autos rechtzeitig bremsen können. (Photo: El Mercurio)

Obwohl man versucht, die Autobahn und die Hauptverkehrsadern mit allen Mitteln befahrbar zu halten...

Gegen Eis und Schnee wird hier Men-Power eingesetzt; Schneepflug und Streufahrzeug gibt es wohl nicht. (Photo: El Mercurio)

kam es auch hier auf den glatten Fahrbahnen zu vielen Unfällen.

Das gute Super-Pollo im Graben, da gibt es nächste Woche wohl kein Hühnchen zu Mittag. (Photo: El Mercurio)

Schlimmer scheinen sich die in das Zentraltal vorgedrungenen kalten Luftmassen aus der Antarktis aber in der Landwirtschaft bemerkbar zu machen. Dies wäre der mit Abstand kälteste Winter seit 10 Jahren, berichten die Nachrichten.

Bepflanzte Felder im Schnee. (Photo: El Mercurio)

Die Kältewellen hätten die Obst- und Gemüseplantagen in dieser Region bereits jetzt stark angegriffen und man fürchtet der jetzt gefallene Schnee könne zu erheblichen Ernteeinbußen bei Äpfeln, Birnen, Weizen und Avocados (Palta) führen, wodurch die Preise weiter ansteigen würden.

Gefrorene Orangen; die kann der Bauer direkt als Sorbet verkaufen. (Photo: El Mercurio)

Anscheinend überall auf der Welt das gleiche Problem.