Silke und Micha in Chile

Sonntag, 26. August 2007

Ein Wochenende mit Silkes Eltern (Bericht 20)

Am vergangenen Samstag trafen Silkes Eltern bereits zu ihrem zweiten Besuch in Chile ein. Der Flieger aus Kanada, wo sie zuvor Silkes Bruder einen Besuch abgestattet und anschließend eine gute Woche das Land bereist hatten, landete leicht verspätet am Vormittag in Santiago.
Nach einem kurzen Abstecher ins Hotel, um sich frisch zu machen, gab es in unserer Wohnung erstmal einen ausgiebigen Brunch zur Stärkung und natürlich viel Zeit zum Austauschen aller Neuigkeiten.
Am Nachmittag fuhren wir dann bei strahlendem Sonnenschein und knapp 20 Grad - Silkes Eltern wollten gar nicht glauben, dass wir knapp zwei Wochen vorher Schnee selbst in der Innenstadt hatten - zu viert in die Reserva Rio Clarillo. Regelmäßige Leser unseres Blogs werden sich erinnern... Genau, das ist doch dort, wo man so schön Vogelspinnen in freier Natur beobachten kann.


Nach einer anstrengenden, weil verkehrsreichen Fahrt nach Süden erreichten wir nach gut 1,5 Stunden den Nationalpark, der jetzt im Winter von schneebedeckten Andengipfeln überragt wurde.
Im Tal war es zwar sonnig und mild, aber die Vegetation war abgesehen von den vielen ganzjährig grünen Hartlaubgewächsen viel kahler als bei unserem Besuch im Herbst. Nur vereinzelt sah man schon einige Frühlingsblüten und frische Triebe. Und obwohl es in der Sonne recht warm war, konnte man auf dem Boden stellenweise sogar noch Eiskristalle entdecken.

Dort, wo die Sonnenstrahlen nicht hinkommen, bleiben die Temperaturen im Keller und an schattigen Stellen findet man sogar Eiskristalle.

Auch die Tierwelt schien komplett in den Winterschlaf versunken zu sein. Conny war darüber recht froh, blieb ihr so doch der Anblick einer Vogelspinne erspart. Einziger Hinweis auf lebende Tiere waren die frischen Spuren vor den Eingängen diverser Fuchsbauten und anderer unterschiedlich großer Löcher in den Hängen rechts und links des Weges.


Nach einer guten halben Stunde erreichten wir wieder die Aussichtsplattform, wo wir kurz Rast machten und Achim auch einige Photos der Umgebung knipsen konnte.
Auf dem Rückweg wurde es dann schon langsam kühler. Sobald die Sonne tiefer steht hat sie momentan noch nicht genug Kraft und die Temperaturen gehen abends schnell zurück. Kurz vor der Schließung des Parks um 18:00 Uhr verließen wir dann auch die Reserva und fuhren zurück nach Santiago.


Später am Abend genossen wir ein typisch chilenisches Abendessen in einem nahe gelegenen Restaurant. Natürlich waren die Portionen wieder sehr reichlich und da wir bereits die üblichen Brötchen mit Pebre und gemeinsam zwei verschiedene Vorspeisen vertilgt hatten, schaffte weder Conny ihr Pastel de Choclo noch Achim seine Plateada (ein riesiges Stück Rindfleisch, das mit Bier übergossen im eigenen Saft im Ofen gegart wird). Wir befürchteten daher schon schlechtes Wetter für den vor uns liegenden Sonntag. Zum Glück hatten die leer gegessenen Teller von Silke und Micha aber wohl mehr Einfluss und so war auch der nächste Tag sonnig und warm.

Bereits früh morgens brachen wir Richtung Osten auf, um eines der um Santiago gelegenen Weingüter zu besuchen. Unsere Wahl fiel auf die traditionelle Viña Undurraga, da diese auch englischsprachige Führungen anbietet.
Vor 10:00 Uhr trafen wir an dem 1885 von Don Francisco Undurraga Vicuña bei Talagante (35 Kilometer östlich von Santiago) im Maipo Tal gegründeten Weingut ein.


Kurz darauf startete unsere fast private Tour durch das Anwesen; insgesamt waren wir nur 5 Personen plus unser Guide, ein junger Chilene (der ein erstaunlich gutes Englisch sprach). Wie üblich der Vorteil, wenn man eine englische Tour bucht, denn die zeitgleich startende spanische Tour war deutlich größer. Wir hatten so die Gelegenheit Fragen zu stellen und uns alles genau erklären zu lassen.


Zunächst ging es in den hauseigenen Park. Hier hatte der französische Landschaftsgärtner Pierre Dubois, der auch den Parque O'Higgins in Santiago gestaltet hat, im Auftrag des Besitzers viele chilenische, aber auch verschiedene europäische Bäume angepflanzt. Dazwischen gibt es Rasenflächen, Springbrunnen und einige Statuen. Auf dem Gelände stehen auch noch die Fundamente des Gründungshauses, das später durch ein Erdbeben zerstört wurde. Überdacht von einem großen Sonnensegel, werden diese heute für Gartenfeste und Hochzeiten genutzt, wie sie hier im Sommer - in nettem Ambiente und sicher mit genügend Wein - regelmäßig stattfinden.

Die alten auf dem Gelände stehenden Kutschen werden von den Hochzeitspaaren benutzt.

Anschließend ging es in den angrenzenden Weingarten (hier in Chile liegen die Weinanbaugebiete ja in der Ebene und nicht am Hang wie in Deutschland). Don Francisco Undurraga war einer der Pioniere des Weinbaus in Chile. Bis 1903 brachte er persönlich Weinreben aus Frankreich und Deutschland nach Chile und pflanzte erste Flächen mit Cabernet Sauvignon, Sauvignon Blanc, Merlot, Pinot Noir, Riesling und Gewürztraminer Trauben an. Heute umfasst die Viña Undurraga eine mit Reben bebaute Fläche von 1200 Hektar, wobei etwa 3000 Rebstöcke pro Hektar gepflanzt sind; insgesamt also über 3,5 Millionen Pflanzen. Als eine der ersten Weinkellereien in Chile exportierte die Viña Undurraga ihre Produkte, anfangs in die USA, heute in mehr als 60 Länder weltweit; also Augen offen halten und bei Gelegenheit mal eine Flasche auf unser Wohl trinken.

Weinreben mit V-Schnitt, damit werden zwei symmetrische Triebe in Ost-West-Richtung gezogen, die dann gleichmäßig Sonne bekommen.

Das Besondere am chilenischen Wein ist, dass dieser noch immer aus den alten europäischen Rebstöcken gewonnen wird, die in ihren Heimatländern längst durch die Reblaus und durch Fäulnispilze zerstört wurden. Die geschützte Lage Chiles hinter den Anden und wohl auch die strengen Einfuhrbestimmungen haben bisher ein Vordringen dieser Krankheiten verhindert und so mussten nicht neue Rebsorten gezüchtet oder alte mit resistenten nordamerikanischen Reben gekreuzt werden. Auch gibt es hier mit der Carménère eine lange ausgerottet geglaubte Sorte, die erst vor einigen Jahren eher durch Zufall wiederentdeckt wurde und die aufgrund ihrer hohen Ansprüche an Klima und Boden momentan nur in Chile und weniger umfangreich in Italien angebaut wird.
Boden- und Klimastudien führten dazu, dass der ursprüngliche Weingarten im Maipo Tal mit 140 Hektar und seinen Ton-Sand-Böden sowie das 600 Hektar umfassende weiter südlich gelegene Areal im Tal des Colchagua mit seinen höheren Temperaturen und seinen sehr fruchtbaren Sedimentböden überwiegend für rote Trauben (Cabernet Sauvignon, Merlot, and Carménère) genutzt wird. Im Sommer werden diese Nutzflächen zusätzlich durch Tröpfchenbewässerung feucht gehalten.
Dagegen setzt man auf den küstennahen Anbauflächen (250 Hektar weiter unten im Maipo Tal und 200 Hektar bei San Antonio) überwiegend Chardonnay und Sauvignon Blanc Reben. Das kühlere Küstenklima mit mehr Feuchtigkeit und vielen nebligen Tagen führt zu einer langsameren Reifung und erzeugt so beste Qualität bei den Weißweinen.
Der ungewöhnlich starke Frost der letzten Wochen hat im Maipo Tal deutlich weniger Schaden angerichtet als in den östlich von Santiago gelegenen Weingütern - man darf so zumindest hier auch in diesem Jahr auf eine gute Ernte hoffen.
Gelesen werden die Trauben noch von Hand und zwar hier in Chile zwischen Februar und Mai, die Spätlese aus Gewürztraminer- oder Semillon-Trauben, sogar erst im Juni. Danach geht alles maschinell...

Industrielle Pressen, da muss niemand mehr mit den Füßen treten.

... wäre auch gar nicht anders möglich, denn für die jährlich 20 Millionen Liter Wein, die allein in diesem Weingut hergestellt werden, bräuchte man ziemlich viele Helfer.

Jeder dieser Tanks fasst mehrere Tausend Liter.

In der hochmodernen Weinkellerei auf dem Gelände werden die Trauben dann langsam und schonend ausgepresst, woraufhin in riesigen Stahltanks die temperaturgesteuerte Fermentierung (Gärung) der Trauben beginnt; alles vom Computer überwacht und vollautomatisch.


Vor der Abfüllung in Flaschen reifen die Weine noch mehrere Wochen (Joven) bis viele Monate (Reserva, Gran Reserva) in chilenischen Eichenfässern. Das geschieht höchst stilvoll in alten unterirdischen Kelleranlagen, die bereits im 19. Jahrhundert vom Gründer Don Francisco angelegt wurden.

In unserer kleinen Gruppe durften wir sogar kurz an einem der Fässer riechen.

Zwischen den Eichenfässern standen mehrere alte Maschinen, die früher zum Etikettieren und Verkorken der Flaschen benutzt wurden und unser Guide führte uns auch gleich noch vor, wie dies ablief: Immer 6 Flaschen verkorken, dann eine zur Seite stellen, schließlich wird man bei dieser Arbeit ja durstig und die Maschine (und ihr Benutzer) musste ausgiebig geschmiert werden - wie er meinte. Klar, dass da in der Stunde nur ein- bis zweihundert Flaschen geschafft wurden.


In einem kleinen Seitenraum lagern, durch ein schmiedeeisernes Gitter vor unbefugtem Zugriff abgesperrt, diverse Raritäten. Es handelt sich dabei um den Privatweinkeller von Don Francisco und der Familie Undurraga in dem noch einige Flaschen vom Anfang des 20. Jahrhunderts liegen. Leider sind diese aber nicht mehr trinkbar wie uns unser Guide erklärte. Vielmehr handele es sich inzwischen um sehr hochwertigen Essig - eine ganz schöne Verschwendung fanden wir.


Am Ende unserer Tour ging es noch in den Verkostungs- und Verkaufsraum wo wir wie üblich - auch wenn es erst kurz nach 11:00 Uhr vormittags war - eine kleine Weinprobe erhielten. Nacheinander gab es einen Chardonnay, eine Carménère und einen Cabernet Sauvignon. Fachmännisch sollten wir zuerst die Farbe des Weines begutachten, dann den Geruch und schließlich den Geschmack testen. Wir hatten das ja auf unserem Mendoza Ausflug in San Juan schon geübt und dementsprechend ging auch alles glatt. Zum Abschied durfte jeder sein Glas mit nach Hause nehmen, so dass wir in Zukunft den Wein der Viña Undurraga stilecht aus Gläsern mit "Undurraga" Schriftzug trinken werden.
Natürlich füllten wir aus diesem Anlass auch gleich unsere Weinvorräte etwas auf und kauften ein paar Flaschen von Michas Lieblingswein, einer Cuvée Reserva aus Cabernet Sauvignon und Syrah sowie eine Flasche Semillon Late Harvest. Durch das originelle Eingangstor verließen wir danach das Weingut, um nach Pomaire weiterzufahren.


Wie bei unserem ersten Besuch war das Töpferdorf auch an diesem Sonntagvormittag noch nicht so überlaufen, so dass wir in Ruhe durch die vielen Verkaufsstände schlendern konnten. Conny durfte ein paar Mitbringsel kaufen und auch Silke und Micha konnten nicht widerstehen. Wartete doch die schon beim letzten Besuch ausgiebig besichtigte Tonfigur eines lesenden "Professors" - wohl eher ein Unikat und ganz und gar nicht gewöhnlich für Pomaire - noch immer auf einen Käufer. Da ihr Preis in der Zwischenzeit sogar um 5000 Pesos gesunken war, musste Micha die einfach haben.

Unsere Einkäufe; der Professor, eine Wandmaske, ein Schweinchen und eine Streichholzskulptur.

Nach einer längeren Tour durch einen Großteil der Geschäfte ging es dann zum Mittagessen, wo Achim eine Cazuela (eine Art Eintopf mit Fleisch, Kartoffeln, Mais, Bohnen und Kürbis), Conny und Micha je eine der für Pomaire typischen Riesenempanadas und Silke ein Pastel de Choclo bestellten. Auf den Nachtisch verzichteten wir aufgrund der üppigen Hauptspeise gerne; nur Achim bestellte sich noch einen Kaffee und erlebte wieder einmal etwas Besonderes...
Kam doch die Bedienung mit der in Chile üblichen Nescafe-Dose, einer Kanne mit heißem Wasser, einem kleinen Gefäß mit Milch und einer Zuckerdose, soweit alles ganz normal. Achim füllte also sein Kaffeepulver in die leere Tasse, gab einen Löffel "Zucker" hinzu und ließ sich Wasser und Milch eingießen. Der erste genüssliche Schluck ließ dann aber seine Gesichtszüge entgleisen und er spuckte den Kaffee direkt wieder zurück in die Tasse. Etwas verunsichert sahen wir alle ihn an und warteten auf seine Erklärung: Salz statt Zucker und davon ein großer Löffel; so konnte man den Kaffee natürlich nicht trinken. Die herbeigerufene Kellnerin entschuldigte sich mehrfach, meinte sie hätte an der Theke zwar um Zucker gebeten, aber wohl das falsche Behältnis bekommen. Sieht ja auch gleich aus, nur schmecken tut es halt unterschiedlich. Sie brachte dann sofort einen Saft und kurz darauf eine neue Tasse, Wasser, Milch und diesmal echten Zucker, so dass Achim doch noch seinen Kaffee trinken konnte.
Nach dem Essen, Pomaire hatte sich inzwischen recht gut mit Menschen gefüllt, schlenderten wir noch etwas durch die Geschäfte und machten uns am Nachmittag auf den Rückweg Richtung Santiago.

Kurz vor der Stadtgrenze verließen wir die Autobahn und fuhren durch den Stadtteil Maipú. Hier kam es, damals noch auf freiem Feld, am 5. April 1818 zur entscheidenden Schlacht im chilenischen Unabhängigkeitskampf.

Das Denkmal zu Ehren von General O'Higgins (Chile) und General San Martin (Argentinien), beide zu Pferd und Seite an Seite.

Traf in der Ebene von Maipú doch das spanische Heer unter General Osorio (y otros) auf das chilenische Befreiungsheer (ejército patriota) unter den Generalen O'Higgins und San Martin, die den Zugang zur Hauptstadt blockierten.
Im Angesicht des Feindes betete O'Higgins zur Jungfrau Maria vom Berg Karmel (Virgen del Carmen), der Patronin von Chile und gelobte mit den Worten

"En el mismo sitio donde se dé la batalla y se obtenga la victoria, se levantará un Santuario a la Virgen del Carmen, Patrona y Generala de los Ejércitos de Chile."

ihr ein Heiligtum zu errichten, wenn sie die chilenischen Soldaten beschütze und zum Sieg führe. Dieses Gebet stieß anscheinend auf offene Ohren. Die Schlacht jedenfalls wurde gewonnen und so gab O'Higgins, um sein Gelübde einzulösen, den Bau einer Capilla de la Victoria in Auftrag, deren Grundsteinlegung am 15.11.1818 auf dem vormaligen Schlachtfeld erfolgte. Nach einer von Spenden finanzierten ersten Bauphase kam es jedoch bald zu Geldmangel und Materialknappheit. Die weitere Konstruktion zog sich mit Unterbrechungen über 64 Jahre hin, bis die Kirche schließlich geweiht werden konnte.

Die beiden erhaltenen Längsmauern der alten Kirche in Ost-West-Richtung mit Blick auf die Anden.

Aber bereits 1906 brachte ein verheerendes Erdbeben die Kirche zum Einsturz und in der Folge verfiel das Gebäude zusehends. Heute stehen nur noch die beiden Längsmauern.
Im Jahr 1942 beschloss der chilenische Kirchentag daher den Bau einer neuen monumentalen Kirche, gewidmet den Freiheitshelden, den hohen Idealen der Väter des Vaterlandes und dem gesamten chilenischen Volk (wie eine Gedenktafel es ausdrückt). Es wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, den der in Spanien geborene und als Kind nach Südamerika ausgewanderte Juan Martínez Gutiérrez, einer der wichtigsten chilenischen Architekten des 20. Jahrhunderts, der ebenfalls die Escuela Militar und einige Universitätsgebäude in Santiago entwarf, gewann. Eigentlich recht ironisch, dass ausgerechnet ein gebürtiger Spanier diese Gedenkstätte zu Ehren der Unabhängigkeit Chiles bauen darf. Die Konstruktion begann am 16.07.1948 nur einen Steinwurf von den Überresten der alten Kirche entfernt.

Der beeindruckende Templo Votivo de Maipú gekrönt von einer Stahlkuppel und einem 12 Meter hohen Kreuz, die nach dem Erdbeben von 1985 angebracht wurden, um die beschädigte Originalkuppel zu ersetzen.

Doch auch diesmal wurden die Bauarbeiten von fehlendem Geld lange verzögert und dauerten am Ende fast 30 Jahre, so dass der Templo Votivo de Maipú erst im November 1974 vom Kardinal von Santiago und den Erzbischöfen Chiles feierlich geweiht werden konnte.
Mit seiner Größe von fast 90 Metern überragt er alle Gebäude der Umgebung und ist selbst von der Autobahn Richtung Pomaire-San Antonio aus deutlich zu sehen. Kein Wunder, dass er ein Monumento Nacional ist. Sein riesiger, ovaler, von 8 Meter hohen Säulen umsäumter Vorplatz wird für diverse Prozessionen genutzt und dient zudem als Ausflugsziel und Spielplatz. Man sitzt auf den Stufen, schlendert über den Platz, spielt mit dem Hund, übt Fahrradfahren oder lässt einen Papierdrachen steigen. So erschien uns der Platz am Sonntagnachmittag gut belebt und keineswegs so steril, wie oft in Deutschland.
Zweimal 12 Stufen führen zum ebenfalls 8 Meter hohen Hauptportal hinauf, das flankiert von zwei niedrigeren Fassadenteilen von einem immensen Turm gekrönt wird.


Wie schon von außen erscheint auch das Innere der Kirche vom Aufbau her sehr geometrisch. Überall beherrschen Parabeln und Hyperbeln das Bild und das Dach ist in mehrere Richtungen gekrümmt wie eine Minimalfläche. Der ganze Komplex wurde aus Stahlbeton errichtet, wobei die offene Bauweise und die vielen Fenster trotzdem für eine gewisse Leichtigkeit sorgen. Die große Höhe des Mittelschiffes und die Breite der beiden Seitenschiffe verstärken diesen Eindruck noch.


Wendet man sich dem Ausgang zu, so sieht man in der Hauptfassade direkt über der Empore, auf die typisch chilenisch Aufzüge führen, ein riesiges Buntglasfenster mit einer Mariendarstellung.

Das Abbild der Virgen del Carmen, der Schutzpatronin Chiles und besonders der chilenischen Streitkräfte.

Auch im Zentrum der Apsis steht ein Marienbild, hier in der Gestalt der Virgen del Carmen, der Jungfrau vom Berge Karmel, wie sie der katholische Karmeliter-Orden verehrt, der Teile Chiles missioniert hat. Durch eine seitlich angebrachte Treppe können Gläubige ihre Bitten direkt vor diese Marienstatue tragen und tatsächlich standen an diesem Sonntagnachmittag mehrere Chilenen betend in dem kleinen erhöhten Raum hinter dem eigentlichen Altar.
So hat der Templo Votivo nicht nur die Aufgabe durch seine monumentale Größe und seine imposante Architektur das Gedächtnis des Unabhängigkeitskampfes wach zu halten. Vielmehr hat er zugleich eine stark religiöse Prägung und dient als Wallfahrts- und Gebetsort. Seine herausragende Stellung als eines der kirchlichen Zentren des Landes kommt in den verschiedenen religiösen Festen und Feierlichkeiten (Cuasimodo, Fest der Virgen del Carmen am 16. Juli, Prozessionen etc.), die in und auf dem großen Platz vor dem Templo Votivo begangen werden, deutlich zum Ausdruck.

Blick durch die Überreste der alten Capilla de la Victoria, entlang der Längsachse des großen Vorplatzes auf den futuristischen Templo Votivo de Maipú.

Unter der Kirche gibt es das Museo del Carmen de Maipú, in dem religiöse Kunstgegenstände, Gefäße, Messgewänder, Reliquien sowie einige Möbel und Dokumente aus der Kolonialzeit ausgestellt sind.

Nach unserer Rückkehr beschlossen wir das gemeinsame Wochenende bei einer Flasche Rotwein. Conny und Achim mussten danach dringend ins Bett, wurden sie am Montagmorgen doch schon um 5:00 Uhr vom Hotel abgeholt und mit dem Transfer zu ihrem Flug nach Calama gebracht. Auf sich allein gestellt werden sie eine gute Woche lang die Atacama Wüste rund um San Pedro erforschen. Da wir selbst diese Gegend Chiles noch nicht gesehen haben, sind wir schon gespannt auf ihren Bericht.