Silke und Micha in Chile

Mittwoch, 5. September 2007

Die Küste nördlich von Viña del Mar (Bericht 21)

Zum Abschluss ihres Aufenthaltes in Chile haben wir am letzten Wochenende nochmals einen Ausflug mit Silkes Eltern unternommen. Da diese die Innenstadt Santiagos ja bereits recht gut kennen und die umliegenden Nationalparks Richtung Anden zur Zeit verschneit sind, entschieden wir uns für einen Tagestrip Richtung Küste. Silkes Eltern hatten die Doppelstadt Valparaiso-Viña del Mar schon in ihrem Urlaub im Februar per Bus besucht, kannten aber bisher weder den Küstenabschnitt im Süden mit Algarrobo, Punta de Tralca, Isla Negra und Cartagena bis San Antonio (siehe unsere Berichte 15 und 18), noch den im Norden von Concón bis Zapallar, der heute unser Ziel sein sollte.


Schon auf der Fahrt konnten wir einen für europäische Verhältnisse ungewöhnlichen Umzug bestaunen. Vor uns fuhr ein offener LKW, auf dessen Ladefläche alle Möbel und das restliche Umzugsgut nur notdürftig mit Schnüren befestigt waren. Schon bevor wir obiges Photo machen konnten, war eine der großen Pflanzen umgekippt und in einer Kurve vom Auflieger gefallen. Der Blumentopf zerbarst dabei in tausend Scherben, was den Fahrer des LKWs aber nicht weiter störte. Böse Zungen behaupten dies wäre eine geschickte Art unliebsame Pflanzen loszuwerden. Vielleicht hatte der Fahrer den "Palme über Bord"-Vorfall aber auch nicht bemerkt und ärgerte sich bei der Ankunft über den Verlust. Naja, ein bisschen Schwund ist halt immer...

Felsenküste nördlich von Viña del Mar. Im Hintergrund, durch den Dunstschleier sind noch die Hochhäuser des Nobel-Vororts Reñeca erkennbar.

Leider war das Wetter an der Küste an diesem Tag recht diesig und der gesamte Himmel wolkenverhangen, so dass die Sicht nicht besonders war. Dafür gab es mächtige Wellen und die Gischt spritzte an manchen Stellen bis zu uns herauf.


Etwas südlich von Concón liegt einige hundert Meter vor der Küste ein einzelner hoher Fels in der Brandung, auf dem sich Seelöwen versammeln. An der Uferstraße gibt es extra ein paar Parkplätze und einen Mirador (Aussichtspunkt), um die Lobos Marinos zu bestaunen.


Aber nicht nur auf dem Felsen ruhten sich die bis zu 2,5m langen Seelöwen aus, sondern auch im Wasser waren einige von ihnen zu sehen und sogar zu hören. Einer von ihnen brüllte mehrmals laut zu seinen Kumpels auf dem Felsen und wollte auf diese Weise wohl auf sich aufmerksam machen. Anschließend versuchte er zunächst vergeblich selbst auf den steilen Felsen zu kommen.


Immer wieder rutschte er an dem glatten, nassen Stein ab und auch die mächtigen Wellen halfen ihm nicht, sondern ließen ihn immer wieder abrutschen. Nach etlichen missglückten Versuchen gelang es ihm dann aber doch ein Stück nach oben zu kommen.


Mit robbenden Bewegungen kletterte er danach immer höher, bis er am Ende auf dem Plateau ankam. Jetzt versteht man auch warum die Tiere nach solchen Strapazen erstmal faul und fast reglos auf dem Felsen ausruhen.

Ein kleiner Seelöwe (Bildmitte) kurz vor seinem todesmutigen Sprung in die Wogen des Pazifiks.

Als ob der Platz auf dem Felsen nun überbelegt wäre verließ kurz darauf ein anderer Seelöwe die Ruhezone mit einem gewagten Sprung in den Wellen.


Etwas weiter nördlich erreichten wir den Roca Oceánica, einen riesigen Felsen, der ein Santuario de la Naturaleza (Naturschutzzone) ist und von dem aus man eine tolle Aussicht über das raue Meer hat.


Auf der flachen Oberseite des Felsen wachsen verschiedene Pflanzen, während an den Rändern überall der nackte Stein zu sehen ist.


Über verschiedene kurze Wege erreicht man den Rand und kann an einigen Stellen sogar bis fast zum Ozean hinunterklettern. Man muss sich dann nur vor den Wellen und der Gischt in Acht nehmen, sonst ist man ganz schnell nass. Interessant sind auch die mehrere Meter breiten abwechselnd grauen und schwarzen Streifen im Fels, die verschiedene geologische Schichten anzeigen und die Silke mit ihrem Vater sofort untersuchen musste.


Am höchsten Punkt hat man einen Aussichtspunkt errichtet, von dem man den Blick in alle Richtungen schweifen lassen kann. Auf den umliegenden Steinen saßen einige Möwen und auch viele schwarze Kormorane (cormorán lile).


Nach Norden zieht sich die raue Küste noch ein Stück weiter und die an diesem Tag hohen Wellen, die gegen die verwitterten Felsen brandeten, boten ein spektakuläres Schauspiel. Wie mag es hier erst bei Sturm zugehen?


Im Osten erhebt sich dagegen eine fast 100 Meter hohe Sanddüne, deren untere Region zwar von Pflanzen bewachsen ist, deren obere Hälfte aber nur aus Sand besteht. Diese ist ebenfalls ein Santuario de la Naturaleza, auch wenn sie in den letzten Jahren durch die sich ausdehnenden Badeorte Reñeca und Concón immer mehr eingeengt und durch die Errichtung weiterer Hotels und Apartmenthochhäuser entlang der Küstenstraße schon stückweise überbaut wurde.


Natürlich konnten Silke und ihre Mutter nicht widerstehen und mussten die Düne zu Fuß hinaufklettern, nur um dann bis zum Knöchel im tiefen Sand versinkend wieder hinunter zu schlittern.


Kurz vor dem südlichen Ortseingang von Concón kann man die Casa Cruz bestaunen; ein Haus, das aus dem gleichen Stein besteht, wie der Felsen auf dem es erbaut wurde und das aufgrund seiner außergewöhnlichen Architektur ins Auge sticht.
Hinter der nächsten Kurve erreicht man dann den Badeort Concón, der etwa 15km nördlich von Viña del Mar liegt. Die Küstenstraße zieht sich entlang an einer Reihe terrassenförmig in den Hang gebauten mehrstöckigen Strandhäusern, wobei alle Wohnungen natürlich zum Wasser hin ausgerichtet sind und in denen viele Bewohner Santiagos ihre Sommerwochenenden verbringen. Es ging vorbei an den beiden Sandstrände Playa Negra, mit schwarzem Lavasand, und Playa Amarilla, mit "normalem" gelbem Sand, die jetzt im Winter und speziell bei diesem kühlen und bedeckten Wetter verlassen waren. Laut Reiseführer liegen die sonnenhungrigen Badegäste im Sommer hier dicht an dicht. Wir fuhren schnell weiter, denn schließlich wollten wir ja nicht im zurzeit eisigen Pazifik baden.


Im Zentrum des kleinen Ortes sahen wir dann hunderte peruanischer Pelikane sitzen. Die bis zu 1 Meter großen Vögel sind sehr zahm und lassen sich durch vorbeifahrende Autos, Spaziergänger und Photographen überhaupt nicht stören.


Warum dieser Pelikan wohl ganz allein zwischen den Möwen sitzt? Vielleicht brauchte er mal etwas Ruhe oder er erhofft sich so einen Vorteil bei der Futtersuche, sein Blick zumindest ist auf das Meer gerichtet.


Auch in der Luft waren etliche Pelikane unterwegs. In weiten Kreisen flogen sie dicht über der Wasseroberfläche und erinnerten irgendwie an prähistorische Flugsaurier oder Urzeitvögel.


Mit ihrem langen Schnabel, ihrem bulligen Körper und einer Spannweite von bis zu 2,5 Metern boten sie ein sehr eindrucksvolles Bild. Einzig der etwas mühsame Start und die oft abrupte Landung waren nicht ganz so elegant anzuschauen.


Im Wasser schwimmend machten sie dagegen wieder eine sehr gute Figur. Auf dem Bild oben sieht man übrigens ein dunkleres (braunes) Jungtier und einen ausgewachsenen Pelikan mit hellerem Gefieder und fast weißem Hals.


Ein paar Meter weiter saßen dann dutzende Pelikane auf einer Mauer aufgereiht. Wir wunderten uns zunächst, schnell wurde aber klar, warum sich all diese Vögel hier versammelt hatten.


In dem innerhalb der Mauer liegenden Hof waren nämlich einige Fischer dabei ihren Fang zu waschen und auszunehmen. Die Pelikane hofften wohl auf einen Fisch oder zumindest auf die Abfälle - ist ja auch viel bequemer als selbst auf Fischfang gehen zu müssen. Tatsächlich starteten einige Pelikane plötzlich einen Vorstoß auf die am Boden stehende Kiste mit gefangenem Fisch. Nur durch einen herbeigeeilten Fischer und einige von diesem ausgeteilte hastige Fußtritte konnten sie wieder vertrieben werden.


Diese beiden Exemplare schauten dem missglückten Raubzug gelangweilt zu. Vielleicht hatten sie schon gelernt, dass man auf diese Weise nicht an die Fische kam. Auf ihrer Galerie sitzend erinnerten sie Micha irgendwie an die beiden Alten aus der Muppetshow, die auch vom Balkon aus zuschauen, Kommentare abgeben, aber nicht ins Geschehen eingreifen.


Einige Minuten später beendeten die Fischer ihre Arbeit und tatsächlich warfen sie die Innereien und Fischreste mitten auf den Hof. Sofort stürzte eine Gruppe Pelikane und auch einige Möwen von der Mauer hinzu und bereits nach Sekunden waren unter lautem Gezeter alle Abfälle restlos in den hungrigen Schnäbeln verschwunden.


Nach diesem Imbiss hoben einige Pelikane, wohl aufgrund ihres vollen Bauches, schwerfällig in die Luft ab, während andere ganz gemütlich die Treppe hinaufstiegen. Nur nicht überanstrengen, war wohl deren Motto. Insgesamt erschienen die Tiere uns durch den engen Kontakt mit den Bewohnern des Ortes und die sicher täglichen Fütterungen schon sehr vermenschlicht.
Als wir uns endlich von dem gebotenen Schauspiel trennen konnten, war es kurz vor halb zwei und da direkt gegenüber ein schon recht gut gefülltes Restaurant stand, entschlossen wir uns dort zu Mittag zu essen - frischer als an der Küste konnte man schließlich keinen Fisch bekommen (Für Micha gab es zum Glück auch ein Fleischgericht). Wir suchten uns einen Tisch im ersten Obergeschoss mit Blick aufs Meer und konnten so selbst beim Essen noch die Pelikane und Möwen beobachten.

Aufgrund der schlechten Sicht erkennt man auf dem Photo nur einen kleinen Teil der Industrieanlagen, die sich über einige Kilometer am Strand entlang ziehen.

Frisch gestärkt fuhren wir noch ein Stück weiter die Küste entlang nach Norden, wo man bald ein ausgedehntes Industriegebiet der Empresa Nacional de Minería erreicht. Hier wird seit 1966 elektrolytisch Kupfer gewonnen. Die zugehörige Raffinerie mit ihren großen Tankanlagen, ein Heizkraftwerk mit hohem Schornstein, mehrere Kohle- und Abraumhalden sowie einige Fabrikgebäude des Codelco-Konzerns, dem ja die Kupferminen in Chile gehören liegen direkt an der Küste. Insgesamt arbeiten hier 1000 Menschen und jährlich werden 350.000 Tonnen Kupfer, 300.000 Tonnen Schwefelsäure, 170 Tonnen Silber und einige Tonne Gold produziert. Zum Verschiffen der Güter hat man sogar einen speziellen Hafen angelegt, benutzt aber zudem die nahen Häfen in Valparaiso und Quintero.


Gleich hinter den Industrieanlagen schließt sich aber bei Las Ventanas wieder ein langer Sandstrand an. Wir machten einen kleinen Verdauungsspaziergang und wunderten uns über die unmittelbare Nähe zwischen der Badebucht und dem Industriegebiet, dessen Abgase man deutlich sehen und riechen konnte. Das Wasser ist hier sicher auch nicht besonders sauber und tatsächlich fehlten die schicken Ferienhäuser. Dieser Strand wird im Sommer wohl eher von den nicht so wohlhabenden Badegästen besucht.

Am Strand von Horcón. Die Felsen sind hier dick mit grünen Algen bewachsen und im Hintergrund sieht man die kleine Feria de artesanía.

Weiter ging es dann nach Horcón, einem winzigen Fischerdorf etwa 50km nördlich von Viña, an dem das Leben sehr beschaulich abläuft. Selbst während der Hauptsaison dürfte hier nicht ganz so viel los sein. Hauptattraktion des Örtchens ist neben dem obligatorischen Strand, den Fischverkaufsständen und Restaurants aber eine Kommune von Künstlern und Handwerkern, die sich hier niedergelassen hat. Entlang des Strandes und in einer kleinen Feria an dessen Ende bieten diese ihre Produkte an, was für Conny und Achim nochmals Gelegenheit bot, nach einigen Mitbringseln zu suchen.
Weiter ging es nach Maitencillo. Bevor wir diesen Ort erreichten, passierten wir die exklusive 270ha große 5-Sterne Ferienanlage Marbella Resort mit ihrem eigenen Golfplatz, Swimmingpools und Tennisplätzen - wohl nur etwas für die reicheren Chilenen.


In Maitencillo schlenderten wir nochmals am felsigen Strand entlang, wo es auch einige Verkaufsstände mit frischen Meeresfrüchten und Kunsthandwerk gab. Über einen schmalen Steg kommt man zu einer höher gelegenen Aussichtsplattform, von wo aus man den Blick über den Pazifik schweifen lassen kann. Klar, dass die Nähe zu den Fischverkaufsständen wieder eine Meute Pelikane anlockt und so machten wir noch ein paar Photos, ehe wir den Rückweg nach Santiago antraten.

Ein einzelner Pelikan, der Wind und Wellen trotzt und wohl nach einen Fisch Ausschau hält.

Seine Kumpels tummeln sich derweil auf den Felsen und im kalten Wasser.

Einsam, aber mit gewaltiger Spannweite gleitet dieser Pelikan dicht über der Wasseroberfläche.

Nach einer kurzen Einkaufstour in Providencia und einem kurzen Empanada-Mittagessen mit ein bisschen Quatschen brachte Silke ihre Eltern am nächsten Tag zum Flughafen, von wo sie nach 2 Wochen Chile (und zuvor 2 Wochen Kanada) zurück nach Deutschland geflogen sind.