Unser Wochenendtrip nach La Serena (Bericht 7)
Da am Freitag den 08.12. - dem Tag von Mariä Empfängnis - in Chile ein Feiertag war, fuhren wir bereits am Donnerstag nachts mit einem Überlandbus zu einem verlängerten Wochenende in das 6 Stunden nördlich von Santiago an der Pazifikküste gelegene La Serena. Natürlich war im Busterminal anlässlich des bevorstehenden Feiertages sehr viel los, aber wir hatten ja bereits vorher Plätze in einem recht bequemen Semi-Cama-Bus (=Halb-Bett-Bus, d.h. der Sitzabstand ist größer und es gibt spezielle Fußauflagen) reserviert, so dass die Reise kurz nach Mitternacht mit leichter Verspätung losgehen konnte. Leider war es im Bus, entgegen der vorherigen Warnung einiger Bekannter über starke Klimatisierung recht warm. Einige Chilenen ließen sich trotz anfänglicher 22°C noch Wolldecken geben, während wir in langen Hosen und T-Shirts eher schwitzten. Im Lauf der Fahrt stieg die Temperatur auf "mollig-warme" 26°C, so dass an erholsamen Schlaf eher nicht zu denken war. Im Morgengrauen erreichten wir schließlich nach 500km Fahrt La Serena, wo wir uns im Busterminal etwas frisch machen konnten - es gibt dort Waschbecken und sogar Duschen, sehr komfortabel.
Anschließend sind wir zu unserem ganz in der Nähe gelegenen Hostal gelaufen, wo wir erstmal gefrühstückt haben. Frisch gestärkt ging es dann zu einem Stadtrundgang. La Serena, die Hauptstadt der 4. Region, hat etwa 150.000 Einwohner und wurde bereits 1544 als zweite Siedlung in Chile von Pedro de Valdivia, der auch Santiago gegründet hat, als Hafen für eine Seeverbindung in das schon spanisch kolonisierte Peru angelegt. Sie erstrahlt noch heute im Kolonialstil, wobei neben einigen Originalbauten sowie einigen Häusern der hier ehemals ansässigen Silber- und Kupferbarone aus dem 19 Jh. viele Gebäude erst in den 1950ern im andalusischen Kolonialstil erbaut wurden. Anlass war ein vom damaligen Präsidenten aufgelegter Plan inklusive Bereitstellung hoher Geldmittel zur Ausgestaltung seiner Geburtsstadt. Neben den damals entstandenen öffentlichen Gebäuden rund um die Plaza de Armas mit ihrem Park gibt es in La Serena einige Museen und sehr viele Kirchen - haben doch alle an der Missionierung Chiles beteiligten christlichen Ordensgemeinschaften hier ihr eigenes Gotteshaus errichtet.
Besonders das archäologische Museum mit seinen Keramiken und Exponaten der Diaquita (Ureinwohner der Region) und einem Original Moai von der Isla de Pascua ist einen Besuch wert.
Nach einem kleinen Abstecher in den Mercado La Recova mit seinen Kunsthandwerkern, Obst- und Süßigkeiten-Verkäufern machten wir uns am Nachmittag auf zum Strand.
Normalerweise ist das Wetter in La Serena morgens eher kühl, mit einer geschlossenen Wolkendecke. Um die Mittagszeit klart es aber meist auf und am Nachmittag genießt man an etwa 320 Tagen im Jahr die Sonne am strahlend blauen Himmel. Dies zusammen mit den langen Sandstränden erklärt auch den großen Zulauf an Badetouristen während der Sommermonate.
Einer palmengesäumten Promenade folgend erreicht man den etwa 2 Kilometer vom Stadtkern entfernten Faro von La Serena direkt am Sandstrand des pazifischen Ozeans.
Am Freitag abends fuhren wir dann mit dem Bus ein Stück nach Osten in das Valle de Elqui, ein Tal, das mit Papayas, Feigen und seinen Trauben für den Pisco, den Nationalschnaps der Chilenen, gespeist vom Schmelzwasser des Rio Elqui eine grüne Oase inmitten der trockenen Halbwüste bietet. Vorbei an dem Staudamm des Proyecto Pudaro erreichten wir das Städtchen Vicuna, von wo es auf staubigen Straßen zum hochgelegenen Lehrobservatorium Mamalluca ging. Dort gibt es jede Nacht Führungen, in denen man einiges über den Nachthimmel der Südhalbkugel erfährt und durch 30cm Spiegelteleskope die Sterne beobachten kann. Tatsächlich sahen wir aufgrund der geringen Resthelligkeit - es gibt ja kaum Siedlungen in der Wüste - und der staubfreien Atmosphäre in knapp 2000m Höhe ein absolut klares und sternenübersätes Firmament. Einfach überwältigend! Da kann man gut nachvollziehen, warum viele große wissenschaftliche Observatorien wie La Silla von der ESO und El Tololo von den Amerikanern genau in dieser Gegend gebaut wurden. Leider kann man diese nur am Tag besichtigen, während wir in Mamalluca durch die Teleskope schauen und die Plejaden, den Orion-Nebel, Sirius und Canopus, einige Stern-Cluster und die beiden nur auf der Südhalbkugel sichtbaren Magellan'schen Wolken betrachten konnten.
Am Samstag nahmen wir dann an einem ganztägigen Ausflug ins Valle del Encanto und in den Nationalpark Fray Jorge teil. Zunächst fuhren wir nach Süden, durch ein stark landwirtschaftlich genutztes Gebiet und erreichten nach einer Stunde Fahrzeit die Stadt Ovalle, in deren Markthalle all das in der Region produzierte Obst angeboten wird. Sehr lecker und auch preiswert.
Danach ging es dann ins Valle del Encanto. In diesem "Zaubertal", durch das der Rio Limari fließt, lebten vom 2. bis zum 7. Jahrhundert Ureinwohner der Molle-Kultur und hinterließen ihre Siedlungsspuren.
Die eindrucksvollen Petroglyphen wurden erst in den 1940er Jahren eher zufällig von einem Europäer entdeckt, der sich in dem Tal verlaufen hatte. Inzwischen hat man etwa 50 Felszeichnungen gefunden, deren Erforschung aber noch lange nicht abgeschlossen ist.
Man unterscheidet zwei Arten von Petroglyphen: Durch das Auftragen eines stark säurehaltigen Breis aus Pflanzen und Wurzeln wurde die Oberfläche der Felsen entfärbt. So entstanden planare Felsbilder.
Die zweite Art von Petroglyphen sind in den Fels geritzte oder geschlagene Darstellungen, die oft weniger gegenständlich sind und maskenartige Gesichter oder abstrakte Figuren zeigen. Die Wissenschaftler streiten noch darüber, welche der beiden Arten zuerst entstand, oder ob beide Arten gleichzeitig, aber von verschiedenen Kulturkreisen geschaffen wurden.
An mehreren Stellen im Tal finden sich solche Löcher in den Felsen. Ihr Zweck ist bisher nicht geklärt. Vermutungen reichen von Vertiefungen zum Anrühren des Wurzelbreis für die Petroglyphen, über Löcher für Opfergaben bis hin zu Landkarten und Darstellungen von Sternbildern und Himmelserscheinungen.
Um die Petroglyphen und auch einige Piktogramme - Felszeichnungen aus einer roten, von einer Kaktus-Lausart gewonnenen Farbe gut sehen zu können, muss man den richtigen Sonnenstand abwarten. Der senkrechte Lichteinfall in der Mittagshitze ist am besten geeignet. Unser Guide wusste genau, wann bestimmte Bilder am schönsten und deutlichsten zu sehen sind. Mit unserem Minibus bzw. zu Fuß ging es immer wieder zu anderen Plätzen und erst nach knapp zwei Stunden verließen wir schwitzend und etwas erschöpft dieses archaische Tal.
Nach dem Mittagessen ging es dann nach Westen in Richtung der Küstenkordillere...
Auf einer Fläche von 100 Quadratkilometern erstreckt sich der Nationalpark Fray Jorge. In diesem, auf dem Hauptkamm der Küstenkordillere gelegen, hat sich ein küstennaher subtropischer Nebelwald mit seinem besonderen Microklima entwickelt, der ansonsten nur in den feuchten Regionen Südchiles vorkommt. Bis heute ist unklar, ob der Wald Überrest eines abgeholzten größeren Waldes ist, oder ob durch Klimaveränderungen einzig dieser Rest überlebt hat.
Dass der Wald sich gerade hier halten konnte, liegt an der abrupt aufsteigenden Steilküste. Die feuchtigkeitsreiche Luft über dem Pazifik kühlt über dem kalten Humboldtstrom stark ab und kondensiert zu Wolken. Diese nachmittags aufsteigenden Küstennebel streichen über die Bergrücken und geben bis zum Hauptkamm der Küstenkordillere die überschüssige Luftfeuchtigkeit ab. Etwa 1200mm Niederschlag pro Jahr, ungefähr die zehnfache Menge verglichen mit der Halbwüste des Hinterlands sind das Resultat.
Dies lässt einen üppigen Laubwald mit vielen Flechten, Schlingpflanzen, Lianen, Aufsitzerpflanzen und Luftwurzlern, die die Feuchtigkeit direkt aufnehmen können, entstehen. Darüber bilden die Bäume ein geschlossenes Blätterdach.
Seinen Namen hat der Wald von einem spanischen Missionar - eben jenem Fray Jorge, der auf der Suche nach stabilem Holz für eine neue Kirche hier fündig wurde.
Sonntagvormittag besuchten wir noch kurz Coquimbo (=ruhiges Wasser), die ärmere Schwesterstadt von La Serena, mit ihren 150000 Einwohnern und ihrem typisch chilenischen Straßenleben. Sie liegt auf einer hügeligen Halbinsel nur einige Kilometer südlich und ist inzwischen fast mit La Serena zusammengewachsen. Die Stadt ist vielleicht am besten mit Valparaiso vergleichbar; wie dort gibt es viele Arbeiterviertel mit teilweise heruntergekommenen Häusern und einen größeren Hafen - dem Hauptarbeitgeber der Stadt - mit Fischerkähnen und einigen Ausflugsbooten. Direkt am Hafen gibt es auch einen großen Fischmarkt und etliche einfache Restaurants.
Überragt wird Coquimbo von einem riesigen, 70m hohen Betonkreuz, dem "Cruz del Tercero Milenio" (Kreuz des dritten Jahrtausends), das bereits von La Serena aus über die Bucht hinweg zu sehen ist und wie ein futuristischer Fremdkörper inmitten der ärmlichen Häuser ringsum wirkt. Das Geld für dessen Errichtung hätte man vielleicht auch sinnvoller nutzen können.
Nach einem kleinen Mittagessen gingen dann am Sonntag Nachmittag 3 schöne und erlebnisreiche Tage mit der Rückfahrt nach Santiago zu Ende. Auf der Busfahrt kamen wir auch durch die "Region de las Dulces" und tatsächlich standen sogar auf dem Seitenstreifen der Autobahn viele Frauen mit abgedeckten Körben, die selbstgebackene Alfajores und süßes Gebäck anboten. Eine solche Frau durfte an einer Mautstation sogar in unseren Bus einsteigen, ihre Waren verkaufen (eine gemischte Tüte mit 8 großen, mit Karamell gefüllten Gebäckstücken für umgerechnet 2 Euro) und dann 50km weiter wieder aussteigen. Da der Korb am Ende fast leer war, wissen wir auch nicht genau, wie die Frau wieder zurückgekommen ist, sie hatte ja kaum noch Waren, um in einem anderen Bus mitgenommen zu werden.
Bei unserer Ankunft in Santiago gab es dann ein ziemliches Verkehrschaos um das Busterminal, da natürlich sehr viele Busse zur gleichen Zeit ankamen und viele Chilenen bereits in den schmalen Straßen einige Blocks vor dem eigentlichen Terminal aussteigen wollten. Auch die Metro war dann brechend voll, aber wir schafften es trotzdem irgendwie einen Platz zu bekommen. Aufgrund einiger Proteste und Demonstrationen anlässlich des Todes des ehemaligen Staatspräsidenten Pinochet in der Innenstadt, hielt die Metro nicht an allen Haltestellen. In unserer Wohngegend in Providencia war aber alles ganz ruhig und wir erfuhren erst zuhause von den Ausschreitungen. Die Polizei hatte die Lage aber unter Kontrolle und außer einigen zu Bruch gegangenen Scheiben und weniger angezündeter Autos gab es keine Schäden. Schon am nächsten Tag hatte sich die Lage völlig beruhigt.
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