Silke und Micha in Chile

Mittwoch, 2. Januar 2008

Ein feuriger Jahresauftakt (Bericht 27)

Von unseren Erfahrungen mit den chilenischen Erdbeben haben wir ja schon mehrfach berichtet und dass es in Chile entlang der Andenkette zahlreiche teils noch aktive Vulkane gibt, davon zeugen auch schon einige Bilder in diversen Berichten dieses Blogs. Bisher waren diese aber alle ganz brav und haben höchstens mal ein Rauchwölkchen ausgestoßen.

Der schneebedeckte Doppelkegel des Llaima im Parque Nacional Conguillio ...

Neu ist daher, dass so ein schlafender Koloss mal erwacht und in diesem Fall fast pünktlich zum Jahreswechsel ein Naturfeuerwerk veranstaltet. Sehr zu Michas Ärger liegt der Llaima, gewissermaßen der Hauptakteur dieses Berichts, gut 650km südlich von Santiago (siehe die Turistel-Karte der Region um Temuco; der Llaima liegt dort in der nord-östlichen Ecke), so dass man in der Hauptstadt seinen Ausbruch nur über die Medien verfolgen konnte. Micha hat heute Morgen schon kurz überlegt mit dem Auto in die 9. Region zu fahren, wo wir im Februar eine Woche Urlaub gemacht hatten und es uns sehr gut gefallen hatte. Leider muss er genau wie Silke ja arbeiten und so wurde es nichts mit einer selbst erlebten Vulkaneruption. Schade, aber zum Glück versorgte uns El Mercurio mit Informationen und Bildern, so dass wir zumindest einen Bericht sozusagen aus zweiter Hand liefern können.

... und unser tapferer El Rojo, der die schwierige Piste aus feinkörniger, schwarzer Lava bis fast an die Schneegrenze bravourös meisterte.

Lag der 3125m hohe Llaima, einer der beiden geologisch aktivsten Vulkane Chiles, im letzten Februar noch völlig zahm inmitten seiner Lava-Asche-Wüste, so nahm seine Aktivität in den letzten Wochen zu und gestern Abend (01.01.2008) stieg vom Hauptkrater eine über 1000m hohe Fumerole (Rauchsäule) in die Luft. Gegen 18:00 Uhr schleuderte der Stratovulkan bereits Asche und festes Material aus seinem Schlot.

Dicker schwarzer Rauch steigt auf. (Photo: El Mercurio)

Das Comité Operativo de Emergencia der angrenzenden Gemeinde Melipeuco, das aus Feuerwehr, Polizei, Rettungskräften und lokaler Administration der 9. Region besteht, trat in Aktion. Mitarbeiter der Conaf und des Observatorio Vulcanológico de los Andes del Sur überflogen in Helikoptern die beiden Krater, wobei einige spektakuläre Bilder entstanden, die später an die Presse weitergegeben wurden.

Der Llaima aus der Luft ... (Photo: El Mercurio)

... kurz vor dem Ausbruch. (Photo: El Mercurio)

Nach Beratungen mit Geologen und weiteren Experten wurde Alerta Amarilla (Gelber Alarm) für die 4 an den Llaima angrenzenden Gemeinden ausgerufen. Dies bedeutet, dass die kommunalen Krisenstäbe zusammentreten und die Notfallpläne (bis hin zur eventuellen Evakuierung) ausgeführt werden.

Abendstimmung am Vulkan. (Photo: El Mercurio)

Die Parkverwaltung organisierte indes den Abtransport von 150 Touristen, Campern und Tagesausflüglern aus dem Parque Nacional Conguillio. Allerdings mussten zuletzt einige Parkwächter und eine Gruppe von Touristen am Conaf-Infozentrum ausharren, da durch die austretende Hitze große Mengen Schnee am Gipfel des Vulkans geschmolzen waren und das in Strömen an den Bergflanken herabfließende Schmelzwasser ihnen den Weg abgeschnitten hatte, bevor sie das Gelände verlassen konnten.

Rauch, Feuer, Glut und Lava. (Photo: El Mercurio)

Bei Einbruch der Nacht spuckte der Vulkan bereits heftig Lava und Flammen, die bis in die 120km entfernte Provinzhauptstadt Temuco sichtbar waren. Die Aktivität sei sehr intensiv und die Eruption die stärkste der letzten 50 Jahre teilte ein Sprecher des Krisenstabes mit.

(Photo: El Mercurio)

Aus sicherer Entfernung könne man das Fließen der Lava an den Hängen des kegelförmigen Vulkans beobachten. Bisher bewege sich die Lava Richtung Nord-Osten, in einen unbewohnten Sektor des Nationalparks, so der Sprecher. Begleitet wurde der Ausbruch von lautem Zischen, Donnern und unterirdischem Grollen.

(Photo: El Mercurio)

Ein Anwohner beschrieb das Ereignis wie folgt: "Die Eruption ist wirklich eindrucksvoll, sehr groß und breit, mit Feuerzungen und -säulen von mehreren hundert Metern Höhe und dem Ausfließen der Lava." und eine Mutter aus Temuco gab folgendes Statement an El Mercurio: "Zum ersten Mal sehen wir etwas derart beeindruckendes. Es gibt kaum Worte dafür. Zugleich fühlt man ein wenig Furcht. Die Kinder haben so etwas noch nie gesehen. Dies(es Spektakel) lässt sich keinesfalls mit dem Feuerwerk in Temuco vergleichen. Es ist einfach großartig."

Sieht fast aus wie geschmolzenes Metall bei der Stahlproduktion ... (Photo: El Mercurio)

Der letzte größere Ausbruch des Llaima liegt zwar erst 13 Jahre zurück, doch auch die gravierenden Eruptionen aus den Jahren 1956/57, bei denen drei Bewohner der Region ums Leben kamen, sind vielen älteren Chilenen noch im Gedächtnis.

... oder wie Feuerwerksraketen. (Photo: El Mercurio)

Melipeuco, das nächstgelegenen Dorf mit rund 3000 Einwohnern, nur 20km entfernt, sei momentan noch außer Gefahr, eine verstärkte, eventuell noch bevorstehende Haupteruption könnte allerdings die Evakuierung des Ortes erzwingen, wofür aber bereits ausgearbeitete Notfallpläne existierten und alle nötigen Vorkehrungen getroffen seien.

Melipeuco am Abend, direkt vor dem Ausbruch. (Photo: El Mercurio)

Obwohl bisher keine offizielle Stelle die Evakuierung angeordnet hat, verließen etliche Familien aus Furcht bereits Melipeuco und übernachteten unter freiem Himmel (zum Glück ist ja gerade Sommer) im Feuerschein des Vulkans. Die meisten Leute schliefen nicht - die Geräusche des Vulkanausbruches waren zu laut und furchteinflössend, sondern bleiben wach und beobachteten angespannt den Krater.

(Photo: El Mercurio)

Am Morgen (02.01.2008) war der Llaima von dichtem Nebel umgeben, der es nicht erlaubte, die noch immer im Park ausharrenden Touristen per Hubschrauber auszufliegen. Zwei Spezialfahrzeuge der Armee und ein Dutzend geländegängiger Jeeps holten die 53 Eingeschlossenen nach einer unruhigen Nacht im Conaf-Refugio schließlich auf dem Landweg zurück in Sicherheit. Der Nationalpark ist damit völlig menschenleer und bleibt auch auf unbestimmte Zeit geschlossen (zumindest bis sich der Vulkan beruhigt hat und die Wege danach wieder in Stand gesetzt wurden). Für die erwarteten 40.000 Touristen der Sommersaison sicher eine herbe Enttäuschung und für die Region ein finanzieller Verlust.
Auch am heutigen Mittwoch stieg wieder eine hohe Rauchsäule aus dem Vulkanschlot, die sich Richtung Osten zur argentinischen Grenze hin ausbreitete.

Am Tag nach dem Ausbruch. (Photo: El Mercurio)

Die bis zu 7km lange Wolke und die Ascheniederschläge erzwangen zudem die Schließung eines kleinen Flughafens auf argentinischer Seite der Anden. Die Eruptionen dagegen verloren bis zum Mittag deutlich an Intensität - wohingegen die Alerta Amarilla aufrechterhalten wurde - und vielleicht ist das Naturspektakel schon bald zu Ende.


So gemütlich wie auf unserem Bild wird man momentan und in der näheren Zukunft wohl kaum an der Laguna Verde sitzen und den Blick über die Araukarienwälder des Conguillio schweifen lassen können. Bleibt abzuwarten, wie lange die Aktivität des Llaima anhält und ob noch weitere Ausbrüche folgen. Die Araukarien mit ihrer dicken, selbst Feuer abweisenden Borke und ihren harten grünen Stacheln zumindest dürften den Ausbruch recht gut überstehen. Die raue urtümliche Natur im Conguillio hat sich über die Jahrhunderte anscheinend gut an Vulkanausbrüche angepasst, so dass ökologische Schäden hoffentlich gering ausfallen werden.