Silke und Micha in Chile

Freitag, 30. November 2007

Advent, Advent...
(Teletón, Botschaftsbazar und keine rechte Weihnachtsstimmung)

Wie? Schon wieder kurz vor Weihnachten? Naja, zumindest in Deutschland wird man durch die kurzen Tage, die kalten Temperaturen und den in diesem Jahr schon kräftig gefallenen Schnee ja mehr als deutlich auf das bevorstehende Fest hingewiesen. In den Städten haben inzwischen sicher die Weihnachtsmärkte eröffnet und verströmen ihren lockenden Duft aus Tannenzweigen, Bienenwachs, Glühwein, Gebratenem, Plätzchen und gerösteten Kastanien.
Hier in Chile schwitzen wir dagegen bei sommerlichen Temperaturen, so dass der freundliche Geselle

Snowman

hier wohl kaum eine Überlebenschance hätte, nicht einmal für ein paar Stunden...
Micha vermeidet es zwar so weit möglich nachmittags sein klimatisiertes Büro zu verlassen, er musste aber diese Woche dreimal mit der Metro zu einem Seminar an die Universidad Católica ganz im Süden der Stadt. Klar dass diese "Reise" am Nachmittag jedes Mal einem Saunabesuch gleich kam, da es trotz geöffneter Fenster in der gut gefüllten U-Bahn sehr stickig ist. Silke schwitzt dagegen täglich in ihrem nicht klimatisierten Büro durch dessen Fenster Richtung Westen nachmittags die Sonne hereinbrennt. Seit Mitte November ist zum Glück die Schwimmbadsaison eröffnet und der Pool im Garten unseres Mehrfamilienhauses erfreut sich zunehmender Beliebtheit unter den Mietern. Da kann man sich nach der Arbeit oder am Wochenende wenigstens kurz abkühlen.
Abgesehen von den hohen Temperaturen fallen auch die Hinweise auf Weihnachten bisher in Santiago eher dezent aus, sieht man einmal von den seit einigen Wochen im Fernsehen laufenden weihnachtlichen Werbespots ab. Die Kaufhäuser sind zwar schon geschmückt und auch der große Weihnachtsbaum auf der Plaza de Armas steht schon, da wir aber momentan selten in der Innenstadt unterwegs sind, fällt das kaum auf.
Im Vergleich zum letzten Jahr, in dem wir gespannt unserem ersten Weihnachtsfest im Sommer entgegenfieberten, fehlt uns heuer bisher jegliche Weihnachtsstimmung. Wahrscheinlich waren wir vor 12 Monaten noch stärker am Rhythmus der Jahreszeiten auf der Nordhalbkugel orientiert, so dass wir instinktiv wussten, wann die Adventszeit beginnt, während wir inzwischen diesen inneren Kalender umgestellt haben. Unsere langjährige Erfahrung einer winterlichen Weihnacht trägt dann sicher noch ihren Teil dazu bei, dass wir momentan nur schwer weihnachtliche Gefühle entwickeln. Wir geben die Hoffnung aber noch nicht auf...
Passend zur beginnenden Adventszeit findet an diesem Wochenende in Chile der zweitägige Spendenmarathon "Teletón - En cada paso estás Tú" statt. Schon ab November wird mit großflächigen Anzeigen in den Tageszeitungen und kostenlosen Spots im Radio und im Fernsehen für dieses seit 1978 fast jährlich laufende Event Werbung gemacht und auf den Straßen sammeln bereits einige Wochen vorher Freiwillige Geldspenden, für die man im Gegenzug einen Sticker bekommt, den viele Chilenen dann auch an ihrer Kleidung tragen.

Freiwillige der Teletón-Kampagne 2006 mit dem Logo des rot-weißen Malteserkreuzes (Photo: Wikipedia)

Sinn der Kampagne ist die Unterstützung motorisch-behinderter Kinder, sowie der Bau und Unterhalt von Rehabilitationszentren im ganzen Land. Höhepunkt ist dann eine 27-stündige Benefizgala, bei der selbst die Präsidentin des Landes anwesend ist und die auf allen (7!) öffentlichen Fernsehkanälen zeitgleich, synchron und ohne Unterbrechungen übertragen wird (zum Glück haben wir Kabelfernsehen). Neben den üblichen Künstlerauftritten, Versteigerungen diverser Besitztümer prominenter Chilenen, Sportwettkämpfen etc. stehen die behinderten Kinder im Mittelpunkt. Sie werden in Kurzportraits vorgestellt und jedes Jahr wird ein "niño símbolo" ausgewählt, welches zusammen mit Don Francisco, einem chilenischen Showmaster, der die Teletón-Kampagne 1978 mitbegründete und ihr seither als Schirmherr sein landesweit bekanntes Gesicht leiht, auf allen Plakaten und in allen Werbespots erscheint. Natürlich wird während der Sendung laufend die aktuelle Spendensumme eingeblendet, die Spendentelefone stehen kaum still und selbst über ein Internetportal kann man online spenden. Die Spendenendsumme betrug im letzten Jahr 11.8 Milliarden Pesos (knapp 18 Millionen Euro), wobei aber in bisher jedem Teletón das Vorjahresergebnis übertroffen wurde. Anders als bei ähnlichen Spendenaktionen in Deutschland wird der Teletón hier allerdings zu einem nationalen Familienevent. Silkes chilenische Arbeitskollegin erzählte, dass an den beiden Tagen ihre gesamte Familie zusammensitzt und dass rund um die Uhr jeweils einige Familienmitglieder die Fernsehübertragung verfolgen. Geschlafen wird dabei abwechselnd in Schichten, obwohl man kaum etwas verpassen würde, da das Programm ähnlich den deutschen Spendensendungen nicht gerade hochspannend ist.
Außerdem gibt es morgen wieder den "Bazar de Damas Diplomáticas", auf dem wie im letzten Jahr die verschiedenen Konsulate und Botschaften landestypische Speisen, Getränke sowie Kunsthandwerk, Weihnachtsdekoration und -geschenke verkaufen. Die eine oder andere Kleinigkeit für uns oder zum Verschenken finden wir da bestimmt wieder und vielleicht kommen wir da sogar etwas in Adventsstimmung.
Wenn auch das nicht hilft, können wir nur noch die Wohnung weihnachtlich dekorieren
PuttingDecoration

ein Kerzchen anzünden
BurningCandle

eine Weihnachtslieder-CD einlegen und den CD-Player auf Dauerbetrieb stellen, aber so schlimm wird's hoffentlich nicht werden...


Nachtrag vom 02.12.: Ein paar Eindrücke vom "Bazar de Damas Diplomáticas"...

Silke vor einer Reihe von Zelten, in denen die verschiedenen Botschaften ihre Waren anboten.

Bei strahlendem Sonnenschein und hohen Besucherzahlen war der Bazar dieses Jahr noch größer als im letzten Jahr und auch unsere Ausbeute war dementsprechend höher - die ersten Mini-Weihnachtsgeschenke haben wir jetzt zumindest...
Um die Mittagszeit saßen ganz unchilenisch bereits viele Besucher im Schatten beim Mittagessen, was vielleicht daran liegt, dass hier überwiegend ausländische Einwohner Santiagos zugegen waren und diese üblicherweise ja nicht ganz so spät essen wie die Chilenen.


Auch wir konnten dem sehr vielfältigen Angebot nicht widerstehen. Als Vorspeise hatten wir frittierte italienische Risottobällchen, Silke entschied sich danach für asiatische Frühlingsrollen, während Micha ein saftiges und butterweiches argentinisches Rindersteak mit Spezialsoße und Brötchen verdrückte. Als Nachtisch gab es dann noch ein paar brasilianische Kokospralinen. Alles super lecker.
Satt und zufrieden verließen wir danach den Bazar der sich in der Zwischenzeit so stark gefüllt hatte, dass an den Ständen und in den engeren Gängen schon fast kein Durchkommen mehr war.

Auch ein Weg, um Micha ein wenig in Weihnachtsstimmung zu versetzen; fanden wir im Supermarkt doch einen 6-Pack CocaCola in Weihnachtskugel-Fläschchen.

Bei unserem anschließenden Abstecher ins Einkaufszentrum entdeckten wir dann noch Teelichter in Tannenbaumform. Genau das Richtige für unseren Adventkranz-Metallbaum, ...


... den wir heute Morgen beim gemütlichen Frühstück anzündeten. Wird also so ganz langsam mit der Advents-Einstimmung.


Auf jeden Fall sollte niemand vergessen seinen Wunschzettel zu schreiben, damit der Weihnachtsmann auch genug zu tun hat.

SantaDesk


In diesem Sinne allen eine frohe, besinnliche und nicht zu (einkaufs-)stressige Adventszeit.