Silke und Micha in Chile

Donnerstag, 20. Dezember 2007

Es weihnachtet sehr ...

Nicht mal mehr eine Woche bis Weihnachten und noch soooo viel zu tun, scheint als ob der Vorweihnachtsstress doch wieder zugeschlagen hätte. Zumindest steigt dadurch die Weihnachtsstimmung und wir sind auch ganz zuversichtlich noch alles vor dem Fest geregelt zu bekommen.
Natürlich darf trotz der ganzen Hektik das eigentliche Ziel der Adventszeit, nämlich die Einstimmung auf das anstehende Weihnachtsfest nicht zu kurz kommen und so frühstücken wir am Wochenende immer gemütlich bei spanischen Weihnachtsliedern (Villancicos) im Kerzenschein unseres Adventskranz-Metallbaumes und auch abends gibt es mal ein paar Zimtsterne, Schweizer Honigkuchen-Marzipan-Hütchen oder ein Stück Marzipanstollen den importierten Waren von Jumbo sei Dank. Nur für den Glühwein ist es zu heiß, so dass wir den eher bei Zimmertemperatur oder sogar gekühlt trinken.

Erwischt, Micha beim Naschen.

Die Chilenen essen in dieser Jahreszeit speziell das Pan de Pascua, eine Mischung aus Hefebrot und Stollen mit kandierten Kirschen, Rosinen, Nüssen und Gewürzen sowie den Queque San Nicolás (Nikolauskuchen), eine Art Früchtebrot mit getrockneten Pflaumen, Datteln, Sauerkirschen, Papayas und ebenfalls Nüssen und Gewürzen. Das traditionelle Getränk dazu ist Cola de Mono (Affenschwanz), ein Mixgetränk aus Pisco, Kaffee, Milch und Gewürzen, das mit Eiswürfeln serviert wird und von dessen Zubereitung es auf El Mercurio Online sogar ein Video gibt. Für die herzhafteren Geschmäcker gibt es Pascualina, eine Art Quiche entweder mit Käse und Schinken, mit Champignons oder auch mit Spinat. Einiges mehr zu den chilenischen Adventsbräuchen findet man in unserem Bericht aus dem letzten Jahr.
Ganz unchilenisch hat jeder von uns wieder einen Adventskalender bekommen, Silke ein Buch über Chile und Micha einen Schokokalender, wie es sie auch in Deutschland gibt und der Nikolaus besuchte uns ebenfalls am 6. Dezember, obwohl dieser Brauch in Chile eigentlich nicht existiert. Vielleicht waren wir ja besonders brav oder Sankt Niklas reserviert immer ein paar Geschenke für Ausländer in der Fremde.

Da Michas Spanisch inzwischen schon recht passabel ist, gab es dieses Jahr "nur" einen Schokoadventskalender ohne Grammatikübungen.

Überall trifft man inzwischen die obligatorische Weihnachtsdeko, die Einkaufsmalls und die Innenstadt quellen vor Geschenkekäufern über - zum Glück haben wir unsere Weihnachtsgeschenke schon zusammen - die mit prallen Tüten und riesigen in Geschenkpapier verpackten Kartons nach Hause hetzen. Von Besinnlichkeit zumindest tagsüber keine Spur.
Anders am Abend, wenn es ab 21:30 Uhr so langsam dunkel wird und man bei immer noch warmen Temperaturen während eines Spazierganges durch unseren Stadtteil die festlich geschmückten Straßen entlang flanieren kann.

Lichterketten in der Avenida Pedro de Valdivia...


... und an den Häusern.

Ein besonderer Anlaufpunkt ist sicher die Municipalidad (Rathaus) de Providencia, die nachts in verschiedenen Farben angestrahlt wird und auf deren Vorplatz Weihnachtslieder erklingen.

Das historische Rathaus in gelb, blau, rot...

... und grün, mit einem großen Bethlehemsstern und einer bunten Lichterpalme auf dem Dach.

Direkt vor der Municipalidad steht zudem eine Pesebre (=Weihnachtskrippe), deren mannshohe Figuren dutzende staunende Kinderaugen verursachen.

Den von Franz von Assisi im 13. Jahrhundert eingeführten Brauch eine Weihnachtskrippe aufzustellen gibt es auch hier in Chile.

Damit alles seine Ordnung hat, steht neben der Krippe immer ein Security-Angestellter (zwischen Josef und Esel), oder gab es den in der Bibel auch schon?

Weiterhin organisiert die Municipalidad jedes Jahr Weihnachtskonzerte in den Parks der Umgebung und am 4. Adventswochenende gibt es für die Kinder kostenloses Freiluftkino im Parque de las esculturas, wo natürlich Weihnachtsfilme auf dem Programm stehen.


Für sozial benachteiligte Kinder (Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen, Straßenkinder und Behinderte) findet morgen zudem ein spezieller Erlebnistag unter dem Motto "Sueños de Navidad" (Weihnachtsträume) statt, bei dem ca. 2000 freiwillige Helfer, meist Studenten den Kindern Spaß, Ablenkung vom Alltag und Aufmerksamkeit schenken.
Ebenfalls für Kinder, speziell Waisen, Kranke und Behinderte veranstaltet die Fundación Protectora de la Infancia und der Hogar de Christo eine Aktion, in der man in allen Metrostationen Spielsachen und Bücher abliefern kann, damit auch diese Kinder ein Weihnachtsgeschenk bekommen.
Anders als in Deutschland sammeln die Kirchen im Advent seit mehreren Jahren nicht nur Geld, sondern zusätzlich etwa 30.000 Cajas de Navidad, in denen man Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs zusammenstellt, um auch den Armen ein festliches Mahl am Heiligabend zu bescheren.

                                    (Photo: El Mercurio Online)

Schließlich ziehen am Heiligabend noch Gruppen junger Freiwilliger durch die Krankenhäuser und Obdachlosenasyle, um den dort lebenden Menschen Zuwendung und etwas Weihnachtsfreude zukommen zu lassen. Sehr viele soziale Aktionen also, aber anscheinend sind diese in dieser Stadt mit ihren knapp 6 Millionen Bewohnern auch nötig.
Übrigens hat inzwischen fast jedes Haus einen Weihnachtsbaum im Foyer stehen und auch hier sammeln sich in den letzten Tagen vor Weihnachten Geschenke der Mieter an die Conserjes (Pförtner) und Putzfrauen, die ja das ganze Jahr ihren Dienst tun.

Der Árbol de Navidad in unserem Haus mit schon einigen Geschenken für die Conserjes.

So erstmal genug berichtet von der Vorweihnachtszeit in Santiago. Jetzt müssen wir noch zwei Tage arbeiten sowie uns um die letzten Vorbereitungen kümmern wie Geschenke verpacken, Krippe aufstellen und unsere Weihnachtsaraukarie schmücken. Morgen Mittag hat Micha dann schon ein Essen seines Instituts. Anlass dafür ist zum einen das anstehende Weihnachtsfest und zum anderen die vor einigen Wochen von der Chilenischen Regierung vergebene Auszeichnung des CMM als Centro de excelencia, was eine großzügige Finanzierung für weitere 10 Jahre beinhaltet. Am Abend werden wir zum monatlichen Chile-Inside-Treffen von Silkes Agentur gehen, bei dem es diesmal passend zu Weihnachten wieder einen Intercambio de regalos, ähnlich dem Wichteln in Deutschland geben wird. Wir sind schon gespannt, wer unsere beiden Geschenke aus dem großen Sack/Karton zieht und was wir selbst bekommen. Am Freitag gibt es bei Micha in der Uni einen Weihnachtsgottesdienst mit Live-Musik und Gesang der Fakultätsband und am Freitagabend nach der Arbeit geht es direkt zu unserem 4-tägigen Kurztrip nach Buenos Aires zum Flughafen. Viel zu tun und nur wenig Zeit.

Wir wünschen daher schon einmal allen Lesern unseres Blogs

¡Feliz Navidad, muchos regalos,

serenidad y felicidad

con la familia y los amigos!