Silke und Micha in Chile

Donnerstag, 21. Juni 2007

Der hohe Norden - Arica und Putre (Bericht 17)

Nachdem inzwischen schon fast 3 Wochen vergangen sind, wird es Zeit endlich über unseren schon im letzten Post angedeuteten Ausflug in den äußersten Norden Chiles zu berichten.
Schon Anfang April hatten wir über LAN-Chile einen günstigen Flug von Santiago nach Arica für das erste Juni-Wochenende gebucht. Laut Kalender war am Montag 4. Juni ein kirchlicher Feiertag (Corpus Christi, was wohl dem süddeutschen Fronleichnam entspricht) und so planten wir einen 3-Tages Trip nach Arica und ins Altiplano (Andenhochebene). Mietauto und Hostals waren auch bald reserviert, so dass dem Ausflug eigentlich nichts mehr im Weg stand.
Einen kleinen Stolperstein seitens der chilenischen Regierung gab es dann aber doch noch. Diese hatte bereits im Januar entschieden, dass das Corpus Christi Fest ab diesem Jahr nicht mehr speziell gefeiert und stattdessen der 16. Juli, der Tag der Virgen del Carmen (Gedenktag unserer Lieben Frau vom Berge Karmel), der aus der Tradition des Karmeliten-Ordens besonders in Nordchile begangen wird, als neuer Feiertag etabliert werden sollte. Problem war nur, dass diese Entscheidung nicht weiter öffentlich bekannt gemacht wurde. Sie stand zwar in einer Art staatlichem Amtsblatt, tauchte aber eben nicht in Tageszeitungen oder anderen Medien auf. Die Jahreskalender waren natürlich im Januar auch schon längst gedruckt und verkauft und irgendwie schien niemand von dem verschobenen Feiertag zu wissen. Anfang Mai ging die Sache dann doch noch groß durch die Presse, immerhin 4 Wochen vor dem betroffenen Termin - reicht ja auch, wenn man nicht schon seinen Urlaub gebucht hatte...
Da wir unseren Ausflug natürlich nicht absagen wollten, blieb Silke nichts anderes übrig, als einen ihrer kostbaren (nur) 15 Tage Jahresurlaub zu nehmen. Fazit: Auch nach 10 Monaten Chile kann man uns noch drankriegen. Wir nehmen solche Kleinigkeiten inzwischen aber eher gelassen - letztes Jahr wären wir sicher ausgeflippt über so eine Sache.

Der eigentliche Trip startete dann am Freitag 1. Juni direkt nach der Arbeit. Nachdem wir fast vergessen hätten unsere DigiCam einzupacken, ging es um 19:20 Uhr mit dem TransVip-Taxiservice zum Flughafen. Natürlich sorgte der Berufsverkehr für das übliche Verkehrschaos und es ging nur im Schneckentempo vorwärts, wodurch wir schon etwas unruhig wurden. Wie immer schien es auf allen anderen Fahrspuren schneller zu gehen. Wir erreichten den Flughafen gerade so rechtzeitig, nur um nach dem Einchecken festzustellen, dass unser Flug eine Stunde Verspätung haben würde. Die Wartezeit nutzend gab es noch einen kleinen Snack und um 22:00 Uhr ging es endlich los. Nach zwei-ein-halb stündigem, aufgrund einiger Luftlöcher etwas holprigem Flug landeten wir in Iquique, wo schon die meisten Passagiere ausstiegen. Auch ein englischsprachiger Passagier aus der Sitzreihe vor uns verließ das Flugzeug, nur um einige Minuten später wieder zurückzukehren und mit den Worten "wrong place" seinen alten Platz wieder einzunehmen. Er hatte wohl die spanischen Durchsagen im Flugzeug nicht verstanden und dachte er wäre schon in Arica. Nach der Zwischenlandung und einer weiteren halben Stunde Flug kamen wir in Arica an und holten unser Gepäck sowie die Schlüssel für das Mietauto. Auf dem Parkplatz wollte der geländegängige Diesel-Pickup dann aber nicht anspringen. Nach einigem Herumsuchen nach einem Choke und einigen vergeblichen Versuchen den Motor zu starten, lief zum Glück der Mitarbeiter der Mietwagenfirma, der wohl endlich - es war ja inzwischen schon kurz vor 2:00 Uhr nachts - Feierabend machen wollte, über den Parkplatz. Auch er versuchte vergeblich den Motor zum Laufen zu bringen, werkelte etwas unter der Motorhaube herum und tauschte dann sogar die Batterie mit einem anderen Fahrzeug. Half alles nichts. Schließlich gab er uns auf unsere Bitte hin - wir wollten endlich ins Bett - ein anderes Modell, zwar ebenfalls ein Pickup, aber kein Diesel. Er versprach uns morgen früh direkt ein gleichwertiges Ersatzauto zum Hostal zu bringen. Im Gespräch fiel Silke dann noch auf, dass sie die Adresse des Hostals gar nicht dabei hatte... Irgendwie schien heute alles verhext zu sein. Der freundliche Mitarbeiter der Mietwagenfirma kannte das Hostal aber glücklicherweise und so bekamen wir noch eine kurze Wegbeschreibung und konnten dann endlich losfahren. Kurz vor der Stadt, wir standen gerade an einer roten Ampel, hielt auf der ansonsten nächtlich-verlassenen Straße neben unserem noch ein anderes Auto. Darin saß wieder der Angestellte der Mietwagenfirma. Zu unserem Erstaunen hielt er Silke's Rucksack hoch, den wir beim Umladen des Gepäcks wohl irgendwie vergessen hatten - einfach nicht unser Tag. Wir bedankten uns und fuhren dann endlich zum Hostal, wo wir trotz lauter Disco-Musik aus der Nachbarschaft kurz darauf in tiefen Schlaf fielen.

Am Samstag schienen dann alle Widrigkeiten des gestrigen Abends endgültig überwunden zu sein. Zusammen mit einigen anderen Touristen saßen wir gemütlich beim Frühstück, als der neuseeländische Hostal-Besitzer uns mit einem freundlichen "Your vehicle is here" ansprach.

Ein riesiger Pickup in schickem rot. Nur gut, dass unser El Rojo das nicht sehen mußte, er hätte sonst sicher Minderwertigkeitsgefühle bekommen.

Es war Punkt 8:30 Uhr, genau wie vereinbart, als der gleiche Mitarbeiter der Mietwagenfirma - anscheinend war er schon wieder im Dienst - unser neues Fahrzeug vorbeibrachte. Diesmal ließ sich der Motor problemlos starten und so brachen wir kurz darauf, nachdem wir von dem netten Hostalbesitzer schon einige Photos der umliegenden Geoglyphen gezeigt und einen Zettel mit einer kleinen Karte und einigen Tipps zu den Sehenswürdigkeiten in und um Arica bekommen hatten, zu einer kleinen Stadtrundfahrt auf.
Die Stadt mit ihren 170.000 Einwohnern erstreckt sich entlang der Küstenlinie und hat deshalb auch einen etwas ungewöhnlichen Grundriss, ohne zentrale Plaza.

Die Plaza Colon, nur einen Steinwurf vom Hafen entfernt, mal nicht in der Mitte der Stadt.

Im Süden wird das überschaubare Stadtzentrum mit seiner Fußgängerzone und den vielen Geschäften von einem riesigen zerklüfteten Sandsteinklotz, dem Morro, überragt.

Der Morro, das Wahrzeichen Aricas, begrenzt die Stadt nach Süden.

Arica, die nördlichste Stadt Chiles, wurde bereits im Jahre 1545 als Verschiffungshafen für die immensen Silbermengen aus dem heute bolivianischen Potosi gegründet. Auf Eseln wurde das Silber quer durch die Anden gebracht und anschließend hier auf spanische Schiffe verladen. Bereits 1570 erhielt Arica Stadtrechte und der folgende wirtschaftliche Aufschwung hielt bis 1776, als die neue Transportroute des Silbers über Buenos Aires und den Rio de la Plata angelegt wurde, an. Arica hatte damit seine Haupteinnahmequelle verloren und dümpelte eine Zeit lang vor sich hin.

Die Gobernacion Maritima, ein typisches Gebäude im Kolonialstil.

Ein erneuter Aufschwung kam erst mit dem großen Salpeterboom. Im 19. Jahrhundert hatte man überall in der Atacama-Wüste Natriumnitrat gefunden, das zu Schießpulver und später zu Kunstdünger verarbeitet wurde. Arica erlebte dadurch eine neue Blütezeit und noch heute sind viele der wunderschönen Gebäude aus dieser Zeit erhalten.

Die Municipalidad von Arica, leider wieder einmal mit vielen Stromkabeln.

Gleich zweifach kann man die Architektur eines bekannten Franzosen bewundern. Gustav Eiffel, der Konstrukteur des Eiffelturms hat zum einen die Pläne für das ehemalige Zollgebäude mit seiner Fassade aus buntem Stein und einer schmiedeeisernen Markise geliefert.

Das ehemalige Zollgebäude aus dem Jahre 1874 nahe dem Hafen. Heute als Haus der Kultur genutzt.

Zum anderen ist er auch für die im neugotischen Stil errichtete Kathedrale San Marcos verantwortlich. 1868 entwarf Eiffel eine Konstruktion aus Eisenstreben, die mit bemalten Metallplatten verkleidet wurde. In England gefertigt wurden die Streben dann nach Arica geliefert und hier zusammengebaut.

Die Kathedrale San Marcos von außen...

Der Innenraum der Kirche erscheint durch die hoch aufstrebenden Metallpfeiler sehr luftig und durch die bunte Bemalung vergisst man sofort, dass eigentlich das gesamte Gebäude aus Metall besteht.

... und von innen.

Der große gepflegte Platz vor der Kirche machte seinem Namen zudem alle Ehre. Heißt er doch Plaza del trabajador (Platz des Arbeiters) und tatsächlich mühte sich ein Chilene mit einer Art Bohner-Gerät alles super sauber zu machen. Ein Bild, das so in Deutschland sicher nicht vorstellbar wäre.


Vielleicht lag es auch an dem einige Tage später stattfindenden Jahrestag der Schlacht um den Morro, dass die Stadt so herausgeputzt wurde, denn auch am Hang des Morro konnte man etliche Menschen sehen, die ein etwas verblichenes Steinmosaik, das das Stadtwappens inklusive chilenischer Fahne zeigt, mit frischer Farbe aufpeppten. Wir jedenfalls entschieden uns nach unserem Stadtrundgang per Auto auf den 260 Meter hohen Morro hochzufahren, um die historische Stätte zu sehen, an der das damals peruanische Arica am 7. Juni 1880 nach einem Sturmangriff im Salpeterkrieg in chilenische Hände fiel.

Eine stolze chilenische Flagge, eingerahmt von zwei Kanonen auf einer der Bastionen des Morro.

Trotz der starken peruanischen Befestigungen mit mehreren Forts und verschiedenen Bastionen, der vielen Kanonen und der unschlagbaren strategischen Lage, wurde der Morro in einem Handstreich von den chilenischen Truppen erobert. Dabei verloren 1500 peruanische Soldaten und etwa 450 Chilenen ihr Leben.

Eine Kanone aus dem Hause Krupp - scheint, als ob der deutsche Waffenhersteller seine Waren bis nach Südamerika lieferte.

Dennoch scheinen zumindest die Chilenen dies als großen Tag in Erinnerung zu haben. Auf dem Morro gibt es daher auch ein großes Militärmuseum und noch heute wird der chilenische Sieg jährlich gefeiert, indem die Schlacht nachgespielt wird und eine große Militärparade stattfindet.

Irgendwie ganz im Gegensatz dazu erinnert eine 11 Meter hohe Christusstatue auf dem Morro an den 1883 geschlossenen Frieden zwischen Peru und Chile.

Natürlich hat man vom steil abfallenden Morro aus auch einen phantastischen Blick über die Stadt, den Hafen und die langen Sandstrände. Aufgrund der Dunkelheit bei unserer Ankunft gestern nacht hatten wir gar nicht bewußt wahrgenommen, dass Arica inmitten der Wüste liegt. Während das Stadtzentrum recht grün ist und Wasser aufgrund von Meerwasserentsalzung kein Mangelgut zu sein scheint, sahen wir vom Morro aus erstmals die vegetationslosen sandfarbenen Hügelketten der Umgebung. Hier wächst im wahrsten Wortsinn kein einziger Grashalm.

Das Stadtzentrum von Arica und dahinter der Hafen.

Nachdem sich Chile durch seinen Sieg im Salpeterkrieg die beiden zuvor peruanischen bzw. bolivianischen Provinzen um Iquique und Antofagasta einverleibt hatte und damit Bolivien seinen Zugang zum Meer verloren hatte - ein Thema, das noch heute immer wieder in den Nachrichten erscheint - wurden Peru und Bolivien zumindest Sonderrechte in den Häfen von Arica und Iquique gewährt. Eine Tatsache, die zu verstärktem Gütertransport von Arica quer durch die Anden ins bolivianische La Paz, damit aber auch zu einer gut ausgebauten Teerstraße nach Putre und ins Altiplano führt

Auch hier wieder viele Frachtcontainer und geschäftiges Treiben.

In südwestlicher Richtung vom Morro aus sieht man zudem die ehemalige Insel Alacren. In früheren Zeiten eine durch Mumienfunde und reiche Grabbeigaben belegte Begräbnisstätte der Aymara-Ureinwohner, später eine spanische Hafenbastion und seit 1967 durch einen aufgeschütteten Damm mit dem Festland verbunden, wird die Halbinsel heute als geschützter Jachthafen benutzt.


Im Süden und Norden der Stadt liegen zudem mehrere vegetationslose Sand- und Felsstrände und da der Pazifik zum einen hohe Wellen zum Surfen liefert und das Wasser zum anderen trotz des Humboldtstromes nicht allzu kalt zu sein scheint, erfreut sich Arica im Sommer großer Beliebtheit als Ziel von Strandtouristen.

Die Playa El Laucho, direkt an der Küstenstraße, mit ihrem felsigen Ufer umbrandet von hohen Wellen.

Jetzt im chilenischen Winter waren die Buchten verständlicherweise verlassen, auch wenn die Lufttemperaturen von deutlich über 20 Grad uns schon fast den Schweiß ausbrechen ließen. Das winterlich kalte Wetter aus Santiago gewohnt und eingedenk der Tatsache, dass es im Hochland sehr kalt sein würde, hatten wir nur lange Hosen, Pullis und Jacke eingepackt. Für den Tag in Arica, der selbsternannten Stadt des ewigen Frühlings eindeutig die falsche Wahl.

Der Strand im Norden von Arica, um diese Jahreszeit natürlich menschenleer. Im Sommer ist hier sicher einiges los.

Nachdem wir alle Sehenswürdigkeiten im Stadtzentrum besucht hatten, fuhren wir mit unserem Mietauto an den östlichen Stadtrand, wo es ein kleines Kunsthandwerkerdorf gibt.

Das kleine Pueblo Artesanal von Arica.

Dort war zwar ebenfalls nicht viel los, was entweder an der Tageszeit - es war ja erst Mittag - oder daran lag, dass passend zum bevorstehenden Jahrestag der Schlacht um den Morro nachmittags in der Innenstadt eine internationale Feria mit Kunsthandwerk stattfand. Dennoch waren einige Werkstätten und Läden geöffnet und wie immer fanden wir eine Kleinigkeit - diesmal ein kleines auf Leinen gemaltes Bild mit Diaguita-Keramik.


In einer Ecke des Kunsthandwerkerdorfes steht zudem eine Replik der Kirche von Parinacota, die wir am Montag auch noch im Original sehen wollten. Vor allem die offene Eingangstüre, der sonst oft verschlossenen Kirchen in Chile, lud zu einem Photo des Innenraumes mit seinen bunten Fresken ein.

Die Replik von innen. Die kräftigen Fresken wirken irgendwie zu aufdringlich und lassen die verblicheneren Bilder mit Darstellungen des Fegefeuers in den Hintergrund treten.

Nach einem kurzen Rundgang verließen wir Arica gen Osten ins Valle de Azapa, einem grünen, da wasserführenden Einschnitt in der ansonsten vegetationslosen Wüste, die die Stadt umgibt. Wie in einer blühenden Oase werden hier vor allem Oliven, Mangos, Datteln, Kartoffeln, verschiedenes Gemüse und Kräuter angebaut.


Das saftige Grün der bewässerten Flächen inmitten der hellbraunen, vegetationslosen Sandhänge ringsum erinnert fast an das Niltal in Ägypten, auch wenn dieses ungleich breiter ist. Genau wie dieses war auch das Valle de Azapa sehr früh besiedelt. Das Wasser des Rio San José ermöglichte seit Urzeiten Ackerbau und Viehzucht und so wundert es nicht, dass in diesem Tal viele bedeutende Ausgrabungsfunde gemacht wurden. Auf einem durch mehrere Meter hohen Säulen und zweisprachigen Hinweistafeln gut ausgeschilderten Circuito de Arqueológico besuchten wir daher auch die wichtigsten Zeugnisse der prä-kolumbianischen Besiedlung. Erste Station war der Cerro Sombrero, ein Hügel in Form eines breiten Hutes auf dessen Flanke die Überreste einer sogenannten Aldea (unbefestigtes Dorf) zu finden sind. Auf etwa 6 Hektar Fläche erstrecken sich die Fundamente von mehr als 400 ehemaligen Steinhäusern, die ursprünglich ein riedgedecktes Holzbalken Dach hatten.

Die Fundamente von etwa 400 Steinhäusern am Cerro Sombrero.

Direkt daneben gab es entlang der Berghänge großformatige Erdzeichnungen zu sehen. Diese zwischen 600 und 1000 Jahre alten Geoglyphen wurden von Indio-Stämmen in einer Art Mosaiktechnik geschaffen. Dabei wurden mit dunkleren (Lava)Steinen flächige Muster auf den hellen Wüstensand gelegt.

Die Geoglyphen des Cerro Atoca.

Man findet sie in einem mehrere hundert Kilometer langen Streifen vom Süden Perus über die Region um Arica bis in die Gegend von Iquique. Dargestellt sind zum einen Tiere, oft Lamas oder Vögel, sowie menschliche Gestalten und auch abstrakte geometrische Formen und es wird vermutet, dass die Erdbilder als Wegweiser für die nomadisch lebenden Wüstenvölker dienten. Sie waren Hinweise auf fruchtbare Weidegründe - oft enthalten sie Schlangenlinien, die als Zeichen für Wasser gedeutet werden können - oder auf Handelsrouten - man erkannt ganze Lamaherden in Formation einer Karawane, wie sie zum Warentransport benutzt wurden.

Das Große Lama.

Tatsächlich standen die unterschiedlichen Volksstämme in engem Kontakt und der gegenseitige Warenaustausch von Obst, Gemüse und getrocknetem Fisch aus den Küstenregionen gegen Lasttiere, Wollwaren, Charqui (Trockenfleisch von Lama oder Alpaka) und Guano-Dünger aus dem Hochland war ein überlebenswichtiger Bestandteil ihrer Kultur.

Die Geoglyphen am Cerro Sagrado.

Daneben dürften die Geoglyphen sicher noch eine mythisch-religiöse Komponente gehabt haben, zumal der benachbarte Cerro Sagrado ein Kultberg der Aymara war und noch immer ist.
Einige Kilometer weiter nach Osten kamen wir zu den Ruinen der prä-Inka Pukará (Befestigungsanlage) von San Lorenzo aus dem 10. bis 12. Jahrhundert.


Auf speziell vom Menschen angelegten Terrassen überblickte der Wohn- und Verteidigungskomplex der Tiwanaku Kultur das fruchtbare Tal mit den Feldern und Weiden der Lamaherden an einer strategisch günstigen Position. Die zahlreichen Fundamente steinerner Häuser sind diesmal von einer starken Befestigungsmauer umgeben. Geflegt und restauriert wird der Komplex, wie auch die übrigen frühgeschichtlichen Stätten im Valle da Azapa von der Universidad de Tarapacá.

Silke auf der Suche nach Resten einer längst vergangenen Zivilisation.

Auf der anderen Seite des Tales sah man am Hang auch bereits den kleinen Ort San Miguel, der mit einem der besten archäologischen Museen ganz Chiles aufwarten kann. Ebenfalls durch die Universität der Region aufgebaut und betreut, zeigt es seit 1967 einen Querschnitt durch die 10.000 jährige Besiedlungsgeschichte Nordchiles.

Wer wohl all die Beulen in den Stein geschlagen hat?

Bereits im Außenbereich gibt es neben etlichen einheimischen Pflanzen und Kakteenarten einige interessante Petroglyphen (Steinbilder) zu bewundern, die wir ähnlich ja schon im Valle del Encanto bei La Serena gesehen hatten.


Wir betraten das Museo Arqueológico San Miguel de Azapa, bezahlten den Eintrittspreis von nur 1000 Peso (1,50 Euro) und erhielten dazu noch leihweise eine mehrseitige Beschreibung der ausgestellten Objekte wahlweise in Englisch, Französisch oder Deutsch ausgehaendigt. Mehr Service kann man sich kaum wünschen; scheint als würde die Universität den internationalen Standard für ein Museum sehr gut kennen.
Bereits vor 10.000 Jahren wurde das Altiplano von jagenden Nomadenvölkern durchstreift. Ab 6000 vor Christus siedelte sich dann die Chinchorro Kultur an der Küste an. Da die Ausstellung chronologisch geordnet ist, trifft man gleich zu Beginn auf das eigentliche Highlight, die mit 7500 Jahren ältesten Mumien der Welt (zum Vergleich: die ägyptischen Mumien sind nur gut halb so alt).

Die Mumien der Chinchorro-Kultur.

Nach dem Entfernen aller Weichteile, Organe und Muskeln mittels Messern aus Pelikanschnäbeln wurden der Schädel durch einen Holzstab mit dem restlichen Skelett verbunden, alle Hohlräume mit Stroh, Tierfellen und Federn gefüllt, Arme und Beine bandagiert, Muskeln durch Pflanzenfasern teilweise nachgebildet, der Körper mit Lehm überzogen und oft durch eine Eisenoxid-Mangan-Farbe bemalt. Der Kopf des Toten wurde schließlich mit einer Totenmaske aus rotem oder schwarzem Lehm bedeckt und ihm wurde eine Perücke aus Echthaar aufgesetzt.
Die so entstandene Mumie wurde liegend, in einen Umhang gehüllt begraben. Einfache Grabbeigaben, wie in Bastkörben und Tonkrügen verwahrte Speisen
und Kleidung, lassen auf einen tiefen Glauben auf ein Leben nach dem Tod schließen. Durch das trockene Wüstenklima perfekt konserviert, können die Mumien auch heute noch bewundert werden.

Kindermumie aus der Nach-Chinchorro-Kultur, etwa um 1100 vor Christus.

Auch wenn sich die restlichen Lebensgewohnheiten der Ureinwohner über die Zeit stark veränderten, blieben die Begräbnisrituale lange unverändert erhalten.
In 20 weiteren Vitrinen wird die Lebensweise der bereits sehr hochentwickelten prä-kolumbianischen Kulturen zwischen dem Küstengebiet um Arica und dem Hochland der Anden dargestellt.

Perücken, Tongefäße und Knochenwerkzeuge der früh-formativen Phase.

Anfangs lebten die Ureinwohner an der Küste vom Fischfang, später dann vom Ackerbau (Mais, Sü&szlg;kartoffeln, Manioc und Bohnen) in den beiden fruchtbaren Tälern des Rio Lluta und Azapa. Im Gegensatz zu den erst viel später besiedelten Gegenden um Iquique und Antofagasta sorgte das vorhandenen Süßwasser inmitten der Wüste für ein sehr frühes sesshaft werden. Gebrannte Tonwaren, gewebte Textilien, Korbwaren und erste verzierte Metallobjekte zeigen die schnellen Fortschritte der Dorfgemeinschaften. Der Handel mit der rund um den Titikaka-See beheimateten Tiwanaku-Hochkultur beeinflusste zudem die Entwicklung. Als schließlich sogar künstliche Bewässerungstechniken und Terrassenfeldbau eingeführt wurden, stand einem Bevölkerungswachstum und der Verbreitung in neue Gebiete nichts mehr im Weg.

Pumamasken und rituelle Musikinstrumente.

Auch die religiösen Symbole und mythologischen Figuren der Tiwanaku wurden teilweise übernommen. So tauchen auch in der Küstenregion Condor- und Pumamotive als Symbole personifizierter Gottheiten auf. Besonders beeindruckend sind die aus Puma-Fell hergestellten Ritualmasken, die bei kultischen Tänzen getragen wurden. Untermalt wurden die Riten mit der Musik aus Pfeifen, Flöten und Trommeln.

Gegenstände aus der Zeit um 1000 nach Christus.

In einem weiteren Raum des Museums gab es noch eine Ausstellung zur momentanen Lebensweise der Hochlandbewohner. Das Volk der Aymara, das sich perfekt an die lebensfeindlichen Verhältnisse, das harte Klima und die Einsamkeit des Altiplano angepasst hat, lebt auch heute noch von der Viehzucht, der Wollproduktion und -verarbeitung sowie im kleineren Maßstab vom Ackerbau. Durch ihr Leben in der Abgeschiedenheit der Grenzregion zwischen Peru, Bolivien und Chile, konnten die heute knapp 50.000 Mitglieder dieser Volksgruppe nicht nur ihre traditionellen Lebensweisen sondern sogar ihre eigene Sprache konservieren.

Quittenschleudern, wichtig für den Karneval der Aymara.

Die Menschen verbringen die meiste Zeit mit ihren Herden und versammeln sich nur zu religiösen Festen in den sonst fast völlig verlassenen Dörfern. Bei einem dieser farbenfrohen Feste im ansonsten eher kargen Alltag kommen auch die Quittenschleudern zum Einsatz, mit denen erwachsene Männer faustgroße Quitten auf ihren Gegner abschießen. Ein seltsamer Brauch; macht aber sicher auch Spaß.
Den Abschluß der Ausstellung bildete eine aus dem 18. Jahrhundert stammende zimmergroße, rustikale Olivenpresse, die bis ins 20. Jahrhundert noch, an genau dieser Stelle in Betrieb war. Die Spanier hatten die Olive nach Südamerika einge¨hrt und besonders das Valle de Azapa stellte sich als hervorragender Anbauort heraus, was wir auf unserer Rückfahrt nach Arica vorbei an ausgedehnten Olivenhainen deutlich bemerkten.
Zurück in Arica kauften wir dann noch Getränke, Brötchen, Salami und Kekse für die nächsten beiden Tage und brachen dann gegen 15:00 Uhr zu unserer Tour ins Altiplano auf.


Durch die karge, vegetationslose Wüste ging es zuerst einige Kilometer nach Norden, um dann nach Osten in das Lluta Tal abzubiegen, wo wir von auf Strommasten am Straßenrand sitzenden Vögeln beobachtet wurden.


Ob die in uns schon ihre nächste Mahlzeit sahen? Lieber nur ein Bild machen und dann schnell weiterfahren.
Wieder sah man Geoglyphen, diesmal mit einigen neuen Motiven:


La Rana, ein Frosch, der fast wie ein gedrungender, winkender Mensch aussieht,


El Aguila, ein Adler im Sturzflug und


Los Gigantes, menschliche Gestalten mit seltsam eckigen Köpfen.
Ein Stück weiter hatte die Universidad de Tarapacá direkt an der Straße ein gutes Dutzend steinerner Silos ausgegraben, die wohl aus der Inka-Zeit stammen und zur unterirdischen Aufbewahrung von Speisen und Vorräten genutzt wurden.

Einfache Trockensilos im Wüstenboden.

Auf der gut ausgebauten Ruta 11 ging es anschließend stetig bergan und wir wunderten uns, wie die parallel verlaufende Eisenbahnlinie, die über eine Passhöhe von mehr als 4000 Metern von Arica bis ins bolivianische La Paz führt, diesen Anstieg überwindet, zumal die Bahnlinie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingerichtet wurde.

To be continued ...