Silke und Micha in Chile

Dienstag, 18. März 2008

Feliz Pascua - Unser zweites Osterfest in Chile

Nur noch eine knappe Woche bis Ostern - ob dies einzig daran liegt, dass die Feiertage dieses Jahr so früh stattfinden oder an der zumindest subjektiv gefühlten hohen Geschwindigkeit, mit der momentan unsere Zeit verfliegt, wissen wir nicht genau, auf jeden Fall wollen wir aber nicht versäumen allen Lesern unseres Blogs eine besinnliche Karwoche und dann ein schönes Osterfest zu wünschen.

Endlich durfte Micha die kleine, aufklappbare, geschnitzte Kreuzigungsszene aus Palo Santo (Heiliges Holz) aufstellen, die wir in Buenos Aires gekauft haben.

Nachdem wir ja bereits letztes Jahr die Feiern zur Semana Santa und die damit verbundenen chilenischen Bräuche und Gepflogenheiten studiert und in diesem Blog beschrieben haben, zieht es uns diesmal in die Ferne und so geht es heute passend zu Ostern zu einem Kurzurlaub auf die gleichnamige Insel, die ja politisch zu Chile - genauer zur Region Valparaiso - gehört, obwohl sie 3700 km vor der chilenischen Küste mitten im Pazifik liegt und geographisch sowie geschichtlich-anthropologisch eher zu Polynesien zu rechnen ist.
Am Karsamstagabend werden wir dann wieder in Santiago zurück sein, so dass einem Ostertelefonat mit den Verwandten auch in diesem Jahr nichts im Wege steht.

Aufgrund der angestrebten Energiesparmassnahmen werden in Chile die Uhren erst am letzten Märzwochenende auf Winterzeit umgestellt, so dass momentan noch immer nur 4 Stunden Zeitunterschied zwischen Deutschland und Chile bestehen.

Natürlich haben wir am Palmsonntag schon unsere Wohnung österlich dekoriert und auch die in diesem Jahr ordentlich gewachsene Araukarie darf wieder als Osterstrauch für die von Micha nach Scherenschnittmotiven bemalten Eier herhalten.

Bis demnächst; allen Verwandten, Freunden und Bekannten Erfolg beim Ostereiersuchen, viele bunte Eier, leckere Schokohasen und ein rundum frohes Osterfest.

Nachtrag vom Ostersonntag:
Nachdem wir am Karsamstag abends erschöpft aber mit vielen tollen neuen Eindrücken nach Santiago zurückkamen, fielen wir recht schnell ins Bett. Nach dem Frühstück heute hatte der Osterhase schon einige Leckereien und Geschenke in unserer Wohnung versteckt, so dass unsere Suche anschließend sehr erfolgreich war...

Für Micha gab es neben chilenischen Bon-O-Bon- sogar importierte Nougateier made in Deutschland, Marzipan von Entrelagos und nicht zuletzt ein kleines Holzei mit Petroglyphen-Symbolen der Osterinsel; vielleicht hatte der Osterhase da ja selbst Urlaub gemacht.

Wie im letzten Jahr bekam Silke ein Päckchen Marshmallow-Eier - hatte sich der Osterhase wohl gemerkt. Außerdem gab es eine Kette mit einem Muschel-Schnecken-Anhänger, der ebenfalls stark nach Osterinsel-Mitbringsel aussieht sowie Zubehör (Helm, Strahler und Rücklicht) für Silkes Fahrrad - so kann sie trotz kürzer werdender Tage weiterhin mit dem Rad zur Arbeit fahren.

Sonntag, 9. März 2008

Hoher Besuch in Michas Institut

Nachdem die Mitarbeiter des CMM (Centro de Modelamiento Matemático) inzwischen aus ihrem Urlaub zurückgekehrt sind und bevor der Universitätsbetrieb am kommenden Montag offiziell - inklusive neuer Studenten und dem Start der Vorlesungen - wieder beginnen wird, erreichte Micha am Dienstag eine eMail des Institutsdirektors, in der dieser seinen Kollegen für Donnerstag den Besuch der Präsidentin von Chile Señora Michelle Bachelet ankündigte. Grund für dieses außergewöhnliche Event war die schon im Dezember gewonnene erstmalige Ausschreibung des Programa de Financiamiento Basal para Centros Científicos y Tecnológicos de Excelencia des nationalen Forschungskomitees CONICYT (Comisión Nacional de Investigación Científica y Tecnológica). Aus einer Gruppe von 33 Anträgen wurde das CMM zusammen mit 7 weiteren Instituten aus den Bereichen Astronomie/Astrophysik (ein Institut das sich ebenfalls an der naturwissenschaftlichen Fakultät der U-Chile befindet), Oceanographie, Ökologie, Biologie/Biotechnologie etc. ausgewählt und erhält nun im Zuge dieses neuen Programms in den nächsten 5 Jahren (sowie nach erfolgreicher Zwischenevaluation mittels einer Verlängerungsoption in weiteren 5 Jahren) großzügige Finanzmittel des chilenischen Staates - allein im ersten Jahr werden für die 8 Zentren etwa 9000 Millionen Pesos (ca. 13 Millionen Euro) ausgeschüttet - und kann so seine Stellenanzahl und seine Forschungsgebiete weiter ausbauen.
Nach dem Ende der Ferienzeit war es jetzt endlich Zeit für die offizielle Inauguration der neuen Excellenzzentren inklusive Regierungsvertretern und Presse. Warum die Wahl der Lokalität für diesen Festakt auf das CMM fiel, lässt sich nur mutmaßen. Sicher hatten die Institute in Santiago hier einen Vorteil, aber es liegt wohl auch an den guten Kontakten des CMM zu Regierung und zu CONICYT, auf jeden Fall - zumindest empfinden das Michas chilenische Kollegen so - eine besondere Ehre.

Alle Plätze besetzt, denn diesen Festakt ließen sich die stolzen chilenischen Wissenschaftler nicht entgehen (Photo: Gobierno de Chile).

Dementsprechend umfangreich waren auch die Vorbereitungen. Bereits am Mittwoch wuselten die Putzfrauen besonders aktiv durch die Räume. Das CMM wurde mit Stellwänden, riesigen CONICYT-Postern und Informationen zu den 8 Excellenzzentren dekoriert, dutzende Scheinwerfer installiert und eine niedrige Bühne aufgebaut. Am Donnerstagmorgen standen gut 20 Polizisten vor dem Eingang des Institutsgebäudes und mehrere Motorradstreifen sicherten die umliegenden Straßenecken. Im Foyer des siebten Stockes, direkt vor Michas Büro wurden gerade aufgestellte Tische mit Tellern und Gläsern bestückt. Kurz nach 10 Uhr besuchte Micha dann ein Polizist, der ganz höflich fragte, ob er mit seinem Hund kurz das Büro "beschnuppern" könne. Alles eine Frage der Sicherheit, aber natürlich fand der Hund keinen Sprengstoff und interessierte sich auch nicht sonderlich für die vielen mathematischen Artikel und das aufgestapelte Papier mit den komischen Formeln und Buchstaben. Ab etwa 11 Uhr füllte sich dann der extra leergeräumte und engbestuhlte Bereich vor der Bühne mit Wissenschaftlern des CMM, dem Rektor der Universidad de Chile sowie dem Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät, Gästen aus den anderen 7 Zentren, vielen Presseleuten nebst einigen Regierungsvertretern, darunter die chilenische Bildungsministerin. Gegen 11:45 Uhr traf die Präsidentin selbst ein.

Jaime San Martin, der Institutsdirektor des CMM neben der First Lady, mit der er sich angeregt unterhielt (Photo: CONICYT).

Die feierliche Zeremonie begann mit einer Rede des Direktors des CMM, der ausführlich alle Anwesenden begrüßte und stellvertretend für die 8 Institute das CMM vorstellte. Er dankte der Präsidentin und dem nationalen Wissenschaftsrat für die Investitionen in Forschung und Innovation, die den geförderten Zentren die Möglichkeit zu Wachstum, Entfaltung bestehender Arbeitsgruppen und Initiation neuer Forschungsaktivitäten gibt. Das CMM könne sich damit noch stärker als international anerkanntes Forschungszentrum für angewandte Mathematik und Modellierung mathematischer Vorgänge in Wirtschaft und Industrie etablieren.

Vivian Heyl, die Präsidentin von CONICYT (Photo: CONICYT).

Im Anschluss sprach die Präsidentin von CONICYT über den Ablauf der Ausschreibung, die Evaluation der Zentren durch den Consejo Superior de Investigaciones Científicas sowie in- und ausländische Fachgutachter und stellte die siegreichen 8 Institute vor, von denen 5 an chilenische Universitäten angeschlossen sind, während 3 unabhängige Forschungseinrichtungen darstellen. Sie erklärte kurz die Gründe für die getroffene Auswahl aus den insgesamt 33 eingereichten Anträgen. Das Programa de Financiamiento Basal erweitere genau zur rechten Zeit die Aktionsmöglichkeiten von CONICYT. Aufgabe dieser Initiative sei die Mehrung des existierenden wissenschaftlichen und technologischen "Kapitals" des Landes im Bereich der Spitzenforschung, der Ausbau des Humankapitals, insbesondere die Heranziehung einer neuen Generation junger Wissenschaftler, sowie der Technologietransfer, um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu erhöhen sowie die soziale Entwicklung Chiles voranzutreiben. Statements und Begriffe, die so oder ähnlich in den letzten Jahren in den Diskussionen zum Thema Excellenzoffensive und Eliteuniversitäten in Deutschland benutzt wurden. "Klotzen statt kleckern" ist wohl auch hier die Devise, denn durch die exzessive Förderung einzelner Zentren soll in diesen eine "kritische Masse" an Spitzenwissenschaftlern fokussiert werden, um von dort aus eine Initialzündung für das gesamte Land auszulösen und Chile in den verschiedenen Disziplinen - Umweltschutz/Klimawandel, Fischzucht/Landwirtschaft, Biologie, Astronomie, Mathematik und Ingenieurwissenschaften - ganz nach vorne zu bringen.

Michelle Bachelet am Rednerpult (Photo: Gobierno de Chile).

Schließlich hielt die Präsidentin selbst eine lange Rede, die sie mit den Worten "!Por Fin!" (endlich) überschrieben hatte. Sie wollte damit ihre Zufriedenheit über den erfolgreichen Abschluss dieses für Chile so wichtigen Schrittes - die erstmalige Ausschreibung des neuen Programms zur Forschungsfinanzierung nach langen Diskussionen und schwierigen Verhandlungen inner- und außerhalb des Parlaments mit den Vertreter von Politik, Industrie und Wissenschaft - zum Ausdruck bringen. Der neu geschaffene Etat (Fondo de Innovación para la Competitividad), aus dem die jährlich 9000 Millionen Pesos entnommen werden, ermögliche die wissenschaftlich-technologische Weiterentwicklung Chiles. Es sei keine Zeit zu verlieren, um die herausragenden Anlagen der Wissenschaftler zu entfalten und damit die Wirtschaft und die Technologie in Chile voranzubringen. Die Präsidentin betonte die Wichtigkeit der Exzellenzcluster und die Investition in Spitzenforschung, die bisher in Chile deutlich unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten lag. "!Por Fin!" könne das Versprechen der Regierung mehr in Forschung zu investieren eingelöst werden.

(Photo: CONICYT)

Während der gesamten Zeremonie klickten überall hektisch die riesigen Photoapparate und die Presseleute notierten entweder eilig Stichworte oder suchten mit ihren Kameras nach dem optimalen Blickwinkel. Ausgiebig wurde am Ende der Veranstaltung noch posiert, damit alle Reporter ihr Bild bekamen...

Gruppenbild der 8 Institutsdirektoren, der Präsidentin von CONICYT, der Bildungsministerin und der Staatspräsidentin (Photo: Gobierno de Chile).

...und auch während des sich an die Zeremonie anschließenden Stehempfangs mit Häppchen und Getränken wurden fleißig Interviews geführt.
Entgegen der aufgrund dieses Aufwands berechtigten Vermutung war die Medienresonanz letztlich aber leider gering. Nur eine Randnotiz im chilenischen Fernsehen und kaum ein Bericht in den großen Tageszeitungen. Wie in Deutschland scheint Bildung und Wissenschaft auch in Chile keinen Aufmacher oder eine Titelseite wert zu sein. Immerhin gibt es online einige Berichte und natürlich wurde innerhalb der Universitäten von dem Festakt sehr wohl Notiz genommen.