Silke und Micha in Chile

Freitag, 28. Dezember 2007

Und schon geht das Jahr zu Ende ...



Ein frohes, gutes, gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2008!


Wir wünschen allen Lesern unseres Blogs

¡Feliz Año Nuevo!

und uns selbst ein ebenfalls gutes Jahr 2008, in dem wir sicher wieder genau so viele neue Eindrücke in Südamerika sammeln werden, wie im vergangenen Jahr - genug zu sehen und zu erleben gibt es allemal noch. Ihr dürft Euch also auf die kommenden Berichte freuen.

Unser Silvesterabend:
Wie es in Chile üblich ist, feierten Silke und Micha mit bunter Perücke und Hütchen mit Glitzerfolie (wenn man das Lametta nicht an den Weihnachtsbaum hängt, oder diesen schon abdekoriert hat, kann man die bunten Folienfäden so verwenden). Allerdings muss man beim Kauf gut aufpassen, denn es wurden noch Hüte mit Aufdruck "Feliz 2001" verkauft und die sind nun wirklich lange aus der Mode.

Silke und Micha beim Silvesteressen.

Trotz warmer Temperaturen gab es um 21:00 Uhr als Vorspeise italienische Suppli (frittierte Reisbällchen) und als Hauptgericht Fleischfondue mit lecker französischem Baguette, obwohl das ja eher deutsch und nicht chilenischer Brauch ist. Immerhin tranken wir dazu chilenischen Rotwein.
Um 23:00 Uhr machten wir uns dann zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt. Auf den Straßen war verständlicherweise kaum etwas los. Die meisten Chilenen erwarteten das neue Jahr wohl zu hause bei ihren Familien. Entlang der Avenida Providencia waren dann doch einige Menschen unterwegs - alle Richtung Stadtzentrum bzw. zu einer Fußgängerbrücke über den Mapocho Fluss. Wir spazierten hinterher und stellten fest, dass man von der Mitte der Bogenbrücke zur einen Seite wirklich einen sehr guten Blick auf die Innenstadt hatte, während man auf der anderen Seite entlang des Flusses auch ein langes Stück Richtung Anden sehen konnte. Einige ältere Chilenen hatten sich schon häuslich auf Klappstühlen niedergelassen, bewaffnet mit Plastikbechern, Sektflasche, Tröten und Konfetti. Eine Chilenin hatte sogar ihr Miniradio mit dabei, um schon 15 Minuten vor 24:00 Uhr den Countdown zu starten. Im Minutenabstand sagte sie die Uhrzeit an, was jedes Mal vom Jubel der Umstehenden gefolgt wurde. Die Brücke füllte sich bis kurz vor Mitternacht und Silke machte sich schon Sorgen, ob deren Tragfähigkeit wohl ausreichen würde, zumal man immer wieder die Schritte Einzelner in einem deutlichen Schwanken des Bodens spüren konnte. Nachdem die Brücke voll war, blieben die restlichen Leute kurzerhand auf der fast leeren Straße stehen - man konnte nur hoffen, dass nicht irgendein angetrunkener Autofahrer unterwegs war. Kurz vor 24:00 Uhr knallten dutzende Korken mitgebrachter Sektflaschen, obwohl es in Chile eigentlich nicht erlaubt ist in der Öffentlichkeit (d.h. auf Straßen und Plätzen) Alkohol zu trinken. Scheint als ob dieses Verbot zumindest an Silvester aufgehoben ist. Punkt Mitternacht startete dann das fast 25 minütige Großfeuerwerk der Comuna Santiago Centro mit farbenprächtigen, teils mehrstufigen Raketen. Zudem konnten wir im Osten auch noch Teile eines weiteren Feuerwerks, wohl dem von Vitacura/Las Condes auf dem Cerro Calan sehen. Wir hatten den Platz also genau richtig gewählt.
Nach dem Spektakel machten wir uns auf den Rückweg, wo bereits viele hupende Autos auf den Straßen das neue Jahr begrüßten und Passanten sowie Feiernde auf den Balkonen uns ein "Feliz Año" zuriefen. Im Vorbeilaufen sahen wir dann noch das vor der Municipalidad de Providencia aufgebaute Zelt, in dem mindestens hundert gut gekleidete Menschen - in Anzug oder Abendkleid und ebenfalls mit Partyhütchen und Tröten bei Live-Musik ein Silvesterdiner genossen. Gegen 1:30 Uhr fielen wir zuhause müde in unser Bett. Der kaltgestellte Sekt und das (hier in Chile) dazugehörige Ananaseis musste noch bis Neujahr warten, schmeckte dadurch aber nicht schlechter.

Donnerstag, 20. Dezember 2007

Es weihnachtet sehr ...

Nicht mal mehr eine Woche bis Weihnachten und noch soooo viel zu tun, scheint als ob der Vorweihnachtsstress doch wieder zugeschlagen hätte. Zumindest steigt dadurch die Weihnachtsstimmung und wir sind auch ganz zuversichtlich noch alles vor dem Fest geregelt zu bekommen.
Natürlich darf trotz der ganzen Hektik das eigentliche Ziel der Adventszeit, nämlich die Einstimmung auf das anstehende Weihnachtsfest nicht zu kurz kommen und so frühstücken wir am Wochenende immer gemütlich bei spanischen Weihnachtsliedern (Villancicos) im Kerzenschein unseres Adventskranz-Metallbaumes und auch abends gibt es mal ein paar Zimtsterne, Schweizer Honigkuchen-Marzipan-Hütchen oder ein Stück Marzipanstollen den importierten Waren von Jumbo sei Dank. Nur für den Glühwein ist es zu heiß, so dass wir den eher bei Zimmertemperatur oder sogar gekühlt trinken.

Erwischt, Micha beim Naschen.

Die Chilenen essen in dieser Jahreszeit speziell das Pan de Pascua, eine Mischung aus Hefebrot und Stollen mit kandierten Kirschen, Rosinen, Nüssen und Gewürzen sowie den Queque San Nicolás (Nikolauskuchen), eine Art Früchtebrot mit getrockneten Pflaumen, Datteln, Sauerkirschen, Papayas und ebenfalls Nüssen und Gewürzen. Das traditionelle Getränk dazu ist Cola de Mono (Affenschwanz), ein Mixgetränk aus Pisco, Kaffee, Milch und Gewürzen, das mit Eiswürfeln serviert wird und von dessen Zubereitung es auf El Mercurio Online sogar ein Video gibt. Für die herzhafteren Geschmäcker gibt es Pascualina, eine Art Quiche entweder mit Käse und Schinken, mit Champignons oder auch mit Spinat. Einiges mehr zu den chilenischen Adventsbräuchen findet man in unserem Bericht aus dem letzten Jahr.
Ganz unchilenisch hat jeder von uns wieder einen Adventskalender bekommen, Silke ein Buch über Chile und Micha einen Schokokalender, wie es sie auch in Deutschland gibt und der Nikolaus besuchte uns ebenfalls am 6. Dezember, obwohl dieser Brauch in Chile eigentlich nicht existiert. Vielleicht waren wir ja besonders brav oder Sankt Niklas reserviert immer ein paar Geschenke für Ausländer in der Fremde.

Da Michas Spanisch inzwischen schon recht passabel ist, gab es dieses Jahr "nur" einen Schokoadventskalender ohne Grammatikübungen.

Überall trifft man inzwischen die obligatorische Weihnachtsdeko, die Einkaufsmalls und die Innenstadt quellen vor Geschenkekäufern über - zum Glück haben wir unsere Weihnachtsgeschenke schon zusammen - die mit prallen Tüten und riesigen in Geschenkpapier verpackten Kartons nach Hause hetzen. Von Besinnlichkeit zumindest tagsüber keine Spur.
Anders am Abend, wenn es ab 21:30 Uhr so langsam dunkel wird und man bei immer noch warmen Temperaturen während eines Spazierganges durch unseren Stadtteil die festlich geschmückten Straßen entlang flanieren kann.

Lichterketten in der Avenida Pedro de Valdivia...


... und an den Häusern.

Ein besonderer Anlaufpunkt ist sicher die Municipalidad (Rathaus) de Providencia, die nachts in verschiedenen Farben angestrahlt wird und auf deren Vorplatz Weihnachtslieder erklingen.

Das historische Rathaus in gelb, blau, rot...

... und grün, mit einem großen Bethlehemsstern und einer bunten Lichterpalme auf dem Dach.

Direkt vor der Municipalidad steht zudem eine Pesebre (=Weihnachtskrippe), deren mannshohe Figuren dutzende staunende Kinderaugen verursachen.

Den von Franz von Assisi im 13. Jahrhundert eingeführten Brauch eine Weihnachtskrippe aufzustellen gibt es auch hier in Chile.

Damit alles seine Ordnung hat, steht neben der Krippe immer ein Security-Angestellter (zwischen Josef und Esel), oder gab es den in der Bibel auch schon?

Weiterhin organisiert die Municipalidad jedes Jahr Weihnachtskonzerte in den Parks der Umgebung und am 4. Adventswochenende gibt es für die Kinder kostenloses Freiluftkino im Parque de las esculturas, wo natürlich Weihnachtsfilme auf dem Programm stehen.


Für sozial benachteiligte Kinder (Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen, Straßenkinder und Behinderte) findet morgen zudem ein spezieller Erlebnistag unter dem Motto "Sueños de Navidad" (Weihnachtsträume) statt, bei dem ca. 2000 freiwillige Helfer, meist Studenten den Kindern Spaß, Ablenkung vom Alltag und Aufmerksamkeit schenken.
Ebenfalls für Kinder, speziell Waisen, Kranke und Behinderte veranstaltet die Fundación Protectora de la Infancia und der Hogar de Christo eine Aktion, in der man in allen Metrostationen Spielsachen und Bücher abliefern kann, damit auch diese Kinder ein Weihnachtsgeschenk bekommen.
Anders als in Deutschland sammeln die Kirchen im Advent seit mehreren Jahren nicht nur Geld, sondern zusätzlich etwa 30.000 Cajas de Navidad, in denen man Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs zusammenstellt, um auch den Armen ein festliches Mahl am Heiligabend zu bescheren.

                                    (Photo: El Mercurio Online)

Schließlich ziehen am Heiligabend noch Gruppen junger Freiwilliger durch die Krankenhäuser und Obdachlosenasyle, um den dort lebenden Menschen Zuwendung und etwas Weihnachtsfreude zukommen zu lassen. Sehr viele soziale Aktionen also, aber anscheinend sind diese in dieser Stadt mit ihren knapp 6 Millionen Bewohnern auch nötig.
Übrigens hat inzwischen fast jedes Haus einen Weihnachtsbaum im Foyer stehen und auch hier sammeln sich in den letzten Tagen vor Weihnachten Geschenke der Mieter an die Conserjes (Pförtner) und Putzfrauen, die ja das ganze Jahr ihren Dienst tun.

Der Árbol de Navidad in unserem Haus mit schon einigen Geschenken für die Conserjes.

So erstmal genug berichtet von der Vorweihnachtszeit in Santiago. Jetzt müssen wir noch zwei Tage arbeiten sowie uns um die letzten Vorbereitungen kümmern wie Geschenke verpacken, Krippe aufstellen und unsere Weihnachtsaraukarie schmücken. Morgen Mittag hat Micha dann schon ein Essen seines Instituts. Anlass dafür ist zum einen das anstehende Weihnachtsfest und zum anderen die vor einigen Wochen von der Chilenischen Regierung vergebene Auszeichnung des CMM als Centro de excelencia, was eine großzügige Finanzierung für weitere 10 Jahre beinhaltet. Am Abend werden wir zum monatlichen Chile-Inside-Treffen von Silkes Agentur gehen, bei dem es diesmal passend zu Weihnachten wieder einen Intercambio de regalos, ähnlich dem Wichteln in Deutschland geben wird. Wir sind schon gespannt, wer unsere beiden Geschenke aus dem großen Sack/Karton zieht und was wir selbst bekommen. Am Freitag gibt es bei Micha in der Uni einen Weihnachtsgottesdienst mit Live-Musik und Gesang der Fakultätsband und am Freitagabend nach der Arbeit geht es direkt zu unserem 4-tägigen Kurztrip nach Buenos Aires zum Flughafen. Viel zu tun und nur wenig Zeit.

Wir wünschen daher schon einmal allen Lesern unseres Blogs

¡Feliz Navidad, muchos regalos,

serenidad y felicidad

con la familia y los amigos!

Montag, 17. Dezember 2007

Eine ganze Serie von Erdbeben

Nachdem wir unsere Wochenend- und Weihnachtseinkäufe (diese zumindest teilweise) am Morgen erledigt hatten, saßen wir am Samstag Nachmittag gemütlich zu Hause und planten gerade an unserem bevorstehenden Kurztrip nach Buenos Aires, als gegen 15:20 Uhr plötzlich die Sessel und das Sofa verdächtig schwankten. Wieder mal ein Erdbeben dachten wir sofort, allerdings nahm dessen Stärke innerhalb einiger Sekunden stark zu und das Wohnzimmerregal begann heftig zu wackeln. Silke sprang schon auf, wusste dann aber wohl nicht, wie sie da helfen sollte und blieb einfach mitten im Zimmer stehen. Micha blieb sitzen und drehte nur den Kopf, um die deutlich sichtbaren Zitterbewegungen des Regals zu beobachten. Zum Glück fielen trotz der Erschütterungen keine zerbrechlichen Gegenstände um oder gar aus dem Regal. Nach einer knappen halben Minute wurde die Bewegung dann deutlich schwächer, ebbte aber erst nach einigen Minuten und mehreren weiteren schwachen Erdstössen (réplicas) vollständig ab. Silke hatte in der Zwischenzeit schon mindestens 3 Mal bemerkt: "Das bebt ja immer noch!", wobei "schon wieder" wohl richtiger gewesen wäre.
Nach einer halben Stunde waren dann auch schon die ersten Nachrichten online zu lesen, die von einem starken Temblor in den Regionen IV,V und VI sprachen. Das Epizentrum lag in der Nähe von Valparaíso, knapp 150 Kilometer von Santiago entfernt und die Stärke wurde mit 5,8 bis 6 auf der Richterskala angegeben. Kein Wunder dass dies in der Hauptstadt noch immer Grad 4 auf der Mercalli-Skala ergab. Wie üblich gab es hier keine Schäden, nur die Metro stand aus Sicherheitsgründen für 10 Minuten still.
In Valparaíso dagegen kam es an einem Hügel zu einem Erdrutsch und in der Stadt gingen einige Schaufensterscheiben zu Bruch, so dass ein Einkaufszentrum wegen der herumliegenden Glassplitter sogar evakuiert wurde und das im Advents-Einkaufsstress, da lag der Umsatz sicher weit unter den Erwartungen.
Zwei Nachbeben am Sonntag hatten "nur" eine Stärke von 4 auf der Richterskala und in Santiago spürten wir fast nichts davon. Anders dann gestern Nacht. Bereits gegen 3:30 Uhr erwachten wir beide von einem Zittern unseres Bettes, das von einem weiteren Nachbeben der Stärke 4,7 stammte. Nicht schlimm und so schliefen wir kurz darauf einfach wieder ein. In den Morgenstunden, gegen 6:30, wurden wir dann allerdings nochmals von einem 40 sekündigen Erdbeben geweckt. "Kann man denn heute überhaupt nicht in Ruhe schlafen?" fuhr es Micha durch den Kopf, aber was will man machen...
Tatsächlich lag das Epizentrum des Sismos der Stärke 4,9 diesmal nur 75km nördlich von Santiago und so scheint es fast, als ob die Serie von Erdbeben sich immer näher an Santiago heranschleicht.