Silke und Micha in Chile

Sonntag, 26. August 2007

Ein Wochenende mit Silkes Eltern (Bericht 20)

Am vergangenen Samstag trafen Silkes Eltern bereits zu ihrem zweiten Besuch in Chile ein. Der Flieger aus Kanada, wo sie zuvor Silkes Bruder einen Besuch abgestattet und anschließend eine gute Woche das Land bereist hatten, landete leicht verspätet am Vormittag in Santiago.
Nach einem kurzen Abstecher ins Hotel, um sich frisch zu machen, gab es in unserer Wohnung erstmal einen ausgiebigen Brunch zur Stärkung und natürlich viel Zeit zum Austauschen aller Neuigkeiten.
Am Nachmittag fuhren wir dann bei strahlendem Sonnenschein und knapp 20 Grad - Silkes Eltern wollten gar nicht glauben, dass wir knapp zwei Wochen vorher Schnee selbst in der Innenstadt hatten - zu viert in die Reserva Rio Clarillo. Regelmäßige Leser unseres Blogs werden sich erinnern... Genau, das ist doch dort, wo man so schön Vogelspinnen in freier Natur beobachten kann.


Nach einer anstrengenden, weil verkehrsreichen Fahrt nach Süden erreichten wir nach gut 1,5 Stunden den Nationalpark, der jetzt im Winter von schneebedeckten Andengipfeln überragt wurde.
Im Tal war es zwar sonnig und mild, aber die Vegetation war abgesehen von den vielen ganzjährig grünen Hartlaubgewächsen viel kahler als bei unserem Besuch im Herbst. Nur vereinzelt sah man schon einige Frühlingsblüten und frische Triebe. Und obwohl es in der Sonne recht warm war, konnte man auf dem Boden stellenweise sogar noch Eiskristalle entdecken.

Dort, wo die Sonnenstrahlen nicht hinkommen, bleiben die Temperaturen im Keller und an schattigen Stellen findet man sogar Eiskristalle.

Auch die Tierwelt schien komplett in den Winterschlaf versunken zu sein. Conny war darüber recht froh, blieb ihr so doch der Anblick einer Vogelspinne erspart. Einziger Hinweis auf lebende Tiere waren die frischen Spuren vor den Eingängen diverser Fuchsbauten und anderer unterschiedlich großer Löcher in den Hängen rechts und links des Weges.


Nach einer guten halben Stunde erreichten wir wieder die Aussichtsplattform, wo wir kurz Rast machten und Achim auch einige Photos der Umgebung knipsen konnte.
Auf dem Rückweg wurde es dann schon langsam kühler. Sobald die Sonne tiefer steht hat sie momentan noch nicht genug Kraft und die Temperaturen gehen abends schnell zurück. Kurz vor der Schließung des Parks um 18:00 Uhr verließen wir dann auch die Reserva und fuhren zurück nach Santiago.


Später am Abend genossen wir ein typisch chilenisches Abendessen in einem nahe gelegenen Restaurant. Natürlich waren die Portionen wieder sehr reichlich und da wir bereits die üblichen Brötchen mit Pebre und gemeinsam zwei verschiedene Vorspeisen vertilgt hatten, schaffte weder Conny ihr Pastel de Choclo noch Achim seine Plateada (ein riesiges Stück Rindfleisch, das mit Bier übergossen im eigenen Saft im Ofen gegart wird). Wir befürchteten daher schon schlechtes Wetter für den vor uns liegenden Sonntag. Zum Glück hatten die leer gegessenen Teller von Silke und Micha aber wohl mehr Einfluss und so war auch der nächste Tag sonnig und warm.

Bereits früh morgens brachen wir Richtung Osten auf, um eines der um Santiago gelegenen Weingüter zu besuchen. Unsere Wahl fiel auf die traditionelle Viña Undurraga, da diese auch englischsprachige Führungen anbietet.
Vor 10:00 Uhr trafen wir an dem 1885 von Don Francisco Undurraga Vicuña bei Talagante (35 Kilometer östlich von Santiago) im Maipo Tal gegründeten Weingut ein.


Kurz darauf startete unsere fast private Tour durch das Anwesen; insgesamt waren wir nur 5 Personen plus unser Guide, ein junger Chilene (der ein erstaunlich gutes Englisch sprach). Wie üblich der Vorteil, wenn man eine englische Tour bucht, denn die zeitgleich startende spanische Tour war deutlich größer. Wir hatten so die Gelegenheit Fragen zu stellen und uns alles genau erklären zu lassen.


Zunächst ging es in den hauseigenen Park. Hier hatte der französische Landschaftsgärtner Pierre Dubois, der auch den Parque O'Higgins in Santiago gestaltet hat, im Auftrag des Besitzers viele chilenische, aber auch verschiedene europäische Bäume angepflanzt. Dazwischen gibt es Rasenflächen, Springbrunnen und einige Statuen. Auf dem Gelände stehen auch noch die Fundamente des Gründungshauses, das später durch ein Erdbeben zerstört wurde. Überdacht von einem großen Sonnensegel, werden diese heute für Gartenfeste und Hochzeiten genutzt, wie sie hier im Sommer - in nettem Ambiente und sicher mit genügend Wein - regelmäßig stattfinden.

Die alten auf dem Gelände stehenden Kutschen werden von den Hochzeitspaaren benutzt.

Anschließend ging es in den angrenzenden Weingarten (hier in Chile liegen die Weinanbaugebiete ja in der Ebene und nicht am Hang wie in Deutschland). Don Francisco Undurraga war einer der Pioniere des Weinbaus in Chile. Bis 1903 brachte er persönlich Weinreben aus Frankreich und Deutschland nach Chile und pflanzte erste Flächen mit Cabernet Sauvignon, Sauvignon Blanc, Merlot, Pinot Noir, Riesling und Gewürztraminer Trauben an. Heute umfasst die Viña Undurraga eine mit Reben bebaute Fläche von 1200 Hektar, wobei etwa 3000 Rebstöcke pro Hektar gepflanzt sind; insgesamt also über 3,5 Millionen Pflanzen. Als eine der ersten Weinkellereien in Chile exportierte die Viña Undurraga ihre Produkte, anfangs in die USA, heute in mehr als 60 Länder weltweit; also Augen offen halten und bei Gelegenheit mal eine Flasche auf unser Wohl trinken.

Weinreben mit V-Schnitt, damit werden zwei symmetrische Triebe in Ost-West-Richtung gezogen, die dann gleichmäßig Sonne bekommen.

Das Besondere am chilenischen Wein ist, dass dieser noch immer aus den alten europäischen Rebstöcken gewonnen wird, die in ihren Heimatländern längst durch die Reblaus und durch Fäulnispilze zerstört wurden. Die geschützte Lage Chiles hinter den Anden und wohl auch die strengen Einfuhrbestimmungen haben bisher ein Vordringen dieser Krankheiten verhindert und so mussten nicht neue Rebsorten gezüchtet oder alte mit resistenten nordamerikanischen Reben gekreuzt werden. Auch gibt es hier mit der Carménère eine lange ausgerottet geglaubte Sorte, die erst vor einigen Jahren eher durch Zufall wiederentdeckt wurde und die aufgrund ihrer hohen Ansprüche an Klima und Boden momentan nur in Chile und weniger umfangreich in Italien angebaut wird.
Boden- und Klimastudien führten dazu, dass der ursprüngliche Weingarten im Maipo Tal mit 140 Hektar und seinen Ton-Sand-Böden sowie das 600 Hektar umfassende weiter südlich gelegene Areal im Tal des Colchagua mit seinen höheren Temperaturen und seinen sehr fruchtbaren Sedimentböden überwiegend für rote Trauben (Cabernet Sauvignon, Merlot, and Carménère) genutzt wird. Im Sommer werden diese Nutzflächen zusätzlich durch Tröpfchenbewässerung feucht gehalten.
Dagegen setzt man auf den küstennahen Anbauflächen (250 Hektar weiter unten im Maipo Tal und 200 Hektar bei San Antonio) überwiegend Chardonnay und Sauvignon Blanc Reben. Das kühlere Küstenklima mit mehr Feuchtigkeit und vielen nebligen Tagen führt zu einer langsameren Reifung und erzeugt so beste Qualität bei den Weißweinen.
Der ungewöhnlich starke Frost der letzten Wochen hat im Maipo Tal deutlich weniger Schaden angerichtet als in den östlich von Santiago gelegenen Weingütern - man darf so zumindest hier auch in diesem Jahr auf eine gute Ernte hoffen.
Gelesen werden die Trauben noch von Hand und zwar hier in Chile zwischen Februar und Mai, die Spätlese aus Gewürztraminer- oder Semillon-Trauben, sogar erst im Juni. Danach geht alles maschinell...

Industrielle Pressen, da muss niemand mehr mit den Füßen treten.

... wäre auch gar nicht anders möglich, denn für die jährlich 20 Millionen Liter Wein, die allein in diesem Weingut hergestellt werden, bräuchte man ziemlich viele Helfer.

Jeder dieser Tanks fasst mehrere Tausend Liter.

In der hochmodernen Weinkellerei auf dem Gelände werden die Trauben dann langsam und schonend ausgepresst, woraufhin in riesigen Stahltanks die temperaturgesteuerte Fermentierung (Gärung) der Trauben beginnt; alles vom Computer überwacht und vollautomatisch.


Vor der Abfüllung in Flaschen reifen die Weine noch mehrere Wochen (Joven) bis viele Monate (Reserva, Gran Reserva) in chilenischen Eichenfässern. Das geschieht höchst stilvoll in alten unterirdischen Kelleranlagen, die bereits im 19. Jahrhundert vom Gründer Don Francisco angelegt wurden.

In unserer kleinen Gruppe durften wir sogar kurz an einem der Fässer riechen.

Zwischen den Eichenfässern standen mehrere alte Maschinen, die früher zum Etikettieren und Verkorken der Flaschen benutzt wurden und unser Guide führte uns auch gleich noch vor, wie dies ablief: Immer 6 Flaschen verkorken, dann eine zur Seite stellen, schließlich wird man bei dieser Arbeit ja durstig und die Maschine (und ihr Benutzer) musste ausgiebig geschmiert werden - wie er meinte. Klar, dass da in der Stunde nur ein- bis zweihundert Flaschen geschafft wurden.


In einem kleinen Seitenraum lagern, durch ein schmiedeeisernes Gitter vor unbefugtem Zugriff abgesperrt, diverse Raritäten. Es handelt sich dabei um den Privatweinkeller von Don Francisco und der Familie Undurraga in dem noch einige Flaschen vom Anfang des 20. Jahrhunderts liegen. Leider sind diese aber nicht mehr trinkbar wie uns unser Guide erklärte. Vielmehr handele es sich inzwischen um sehr hochwertigen Essig - eine ganz schöne Verschwendung fanden wir.


Am Ende unserer Tour ging es noch in den Verkostungs- und Verkaufsraum wo wir wie üblich - auch wenn es erst kurz nach 11:00 Uhr vormittags war - eine kleine Weinprobe erhielten. Nacheinander gab es einen Chardonnay, eine Carménère und einen Cabernet Sauvignon. Fachmännisch sollten wir zuerst die Farbe des Weines begutachten, dann den Geruch und schließlich den Geschmack testen. Wir hatten das ja auf unserem Mendoza Ausflug in San Juan schon geübt und dementsprechend ging auch alles glatt. Zum Abschied durfte jeder sein Glas mit nach Hause nehmen, so dass wir in Zukunft den Wein der Viña Undurraga stilecht aus Gläsern mit "Undurraga" Schriftzug trinken werden.
Natürlich füllten wir aus diesem Anlass auch gleich unsere Weinvorräte etwas auf und kauften ein paar Flaschen von Michas Lieblingswein, einer Cuvée Reserva aus Cabernet Sauvignon und Syrah sowie eine Flasche Semillon Late Harvest. Durch das originelle Eingangstor verließen wir danach das Weingut, um nach Pomaire weiterzufahren.


Wie bei unserem ersten Besuch war das Töpferdorf auch an diesem Sonntagvormittag noch nicht so überlaufen, so dass wir in Ruhe durch die vielen Verkaufsstände schlendern konnten. Conny durfte ein paar Mitbringsel kaufen und auch Silke und Micha konnten nicht widerstehen. Wartete doch die schon beim letzten Besuch ausgiebig besichtigte Tonfigur eines lesenden "Professors" - wohl eher ein Unikat und ganz und gar nicht gewöhnlich für Pomaire - noch immer auf einen Käufer. Da ihr Preis in der Zwischenzeit sogar um 5000 Pesos gesunken war, musste Micha die einfach haben.

Unsere Einkäufe; der Professor, eine Wandmaske, ein Schweinchen und eine Streichholzskulptur.

Nach einer längeren Tour durch einen Großteil der Geschäfte ging es dann zum Mittagessen, wo Achim eine Cazuela (eine Art Eintopf mit Fleisch, Kartoffeln, Mais, Bohnen und Kürbis), Conny und Micha je eine der für Pomaire typischen Riesenempanadas und Silke ein Pastel de Choclo bestellten. Auf den Nachtisch verzichteten wir aufgrund der üppigen Hauptspeise gerne; nur Achim bestellte sich noch einen Kaffee und erlebte wieder einmal etwas Besonderes...
Kam doch die Bedienung mit der in Chile üblichen Nescafe-Dose, einer Kanne mit heißem Wasser, einem kleinen Gefäß mit Milch und einer Zuckerdose, soweit alles ganz normal. Achim füllte also sein Kaffeepulver in die leere Tasse, gab einen Löffel "Zucker" hinzu und ließ sich Wasser und Milch eingießen. Der erste genüssliche Schluck ließ dann aber seine Gesichtszüge entgleisen und er spuckte den Kaffee direkt wieder zurück in die Tasse. Etwas verunsichert sahen wir alle ihn an und warteten auf seine Erklärung: Salz statt Zucker und davon ein großer Löffel; so konnte man den Kaffee natürlich nicht trinken. Die herbeigerufene Kellnerin entschuldigte sich mehrfach, meinte sie hätte an der Theke zwar um Zucker gebeten, aber wohl das falsche Behältnis bekommen. Sieht ja auch gleich aus, nur schmecken tut es halt unterschiedlich. Sie brachte dann sofort einen Saft und kurz darauf eine neue Tasse, Wasser, Milch und diesmal echten Zucker, so dass Achim doch noch seinen Kaffee trinken konnte.
Nach dem Essen, Pomaire hatte sich inzwischen recht gut mit Menschen gefüllt, schlenderten wir noch etwas durch die Geschäfte und machten uns am Nachmittag auf den Rückweg Richtung Santiago.

Kurz vor der Stadtgrenze verließen wir die Autobahn und fuhren durch den Stadtteil Maipú. Hier kam es, damals noch auf freiem Feld, am 5. April 1818 zur entscheidenden Schlacht im chilenischen Unabhängigkeitskampf.

Das Denkmal zu Ehren von General O'Higgins (Chile) und General San Martin (Argentinien), beide zu Pferd und Seite an Seite.

Traf in der Ebene von Maipú doch das spanische Heer unter General Osorio (y otros) auf das chilenische Befreiungsheer (ejército patriota) unter den Generalen O'Higgins und San Martin, die den Zugang zur Hauptstadt blockierten.
Im Angesicht des Feindes betete O'Higgins zur Jungfrau Maria vom Berg Karmel (Virgen del Carmen), der Patronin von Chile und gelobte mit den Worten

"En el mismo sitio donde se dé la batalla y se obtenga la victoria, se levantará un Santuario a la Virgen del Carmen, Patrona y Generala de los Ejércitos de Chile."

ihr ein Heiligtum zu errichten, wenn sie die chilenischen Soldaten beschütze und zum Sieg führe. Dieses Gebet stieß anscheinend auf offene Ohren. Die Schlacht jedenfalls wurde gewonnen und so gab O'Higgins, um sein Gelübde einzulösen, den Bau einer Capilla de la Victoria in Auftrag, deren Grundsteinlegung am 15.11.1818 auf dem vormaligen Schlachtfeld erfolgte. Nach einer von Spenden finanzierten ersten Bauphase kam es jedoch bald zu Geldmangel und Materialknappheit. Die weitere Konstruktion zog sich mit Unterbrechungen über 64 Jahre hin, bis die Kirche schließlich geweiht werden konnte.

Die beiden erhaltenen Längsmauern der alten Kirche in Ost-West-Richtung mit Blick auf die Anden.

Aber bereits 1906 brachte ein verheerendes Erdbeben die Kirche zum Einsturz und in der Folge verfiel das Gebäude zusehends. Heute stehen nur noch die beiden Längsmauern.
Im Jahr 1942 beschloss der chilenische Kirchentag daher den Bau einer neuen monumentalen Kirche, gewidmet den Freiheitshelden, den hohen Idealen der Väter des Vaterlandes und dem gesamten chilenischen Volk (wie eine Gedenktafel es ausdrückt). Es wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, den der in Spanien geborene und als Kind nach Südamerika ausgewanderte Juan Martínez Gutiérrez, einer der wichtigsten chilenischen Architekten des 20. Jahrhunderts, der ebenfalls die Escuela Militar und einige Universitätsgebäude in Santiago entwarf, gewann. Eigentlich recht ironisch, dass ausgerechnet ein gebürtiger Spanier diese Gedenkstätte zu Ehren der Unabhängigkeit Chiles bauen darf. Die Konstruktion begann am 16.07.1948 nur einen Steinwurf von den Überresten der alten Kirche entfernt.

Der beeindruckende Templo Votivo de Maipú gekrönt von einer Stahlkuppel und einem 12 Meter hohen Kreuz, die nach dem Erdbeben von 1985 angebracht wurden, um die beschädigte Originalkuppel zu ersetzen.

Doch auch diesmal wurden die Bauarbeiten von fehlendem Geld lange verzögert und dauerten am Ende fast 30 Jahre, so dass der Templo Votivo de Maipú erst im November 1974 vom Kardinal von Santiago und den Erzbischöfen Chiles feierlich geweiht werden konnte.
Mit seiner Größe von fast 90 Metern überragt er alle Gebäude der Umgebung und ist selbst von der Autobahn Richtung Pomaire-San Antonio aus deutlich zu sehen. Kein Wunder, dass er ein Monumento Nacional ist. Sein riesiger, ovaler, von 8 Meter hohen Säulen umsäumter Vorplatz wird für diverse Prozessionen genutzt und dient zudem als Ausflugsziel und Spielplatz. Man sitzt auf den Stufen, schlendert über den Platz, spielt mit dem Hund, übt Fahrradfahren oder lässt einen Papierdrachen steigen. So erschien uns der Platz am Sonntagnachmittag gut belebt und keineswegs so steril, wie oft in Deutschland.
Zweimal 12 Stufen führen zum ebenfalls 8 Meter hohen Hauptportal hinauf, das flankiert von zwei niedrigeren Fassadenteilen von einem immensen Turm gekrönt wird.


Wie schon von außen erscheint auch das Innere der Kirche vom Aufbau her sehr geometrisch. Überall beherrschen Parabeln und Hyperbeln das Bild und das Dach ist in mehrere Richtungen gekrümmt wie eine Minimalfläche. Der ganze Komplex wurde aus Stahlbeton errichtet, wobei die offene Bauweise und die vielen Fenster trotzdem für eine gewisse Leichtigkeit sorgen. Die große Höhe des Mittelschiffes und die Breite der beiden Seitenschiffe verstärken diesen Eindruck noch.


Wendet man sich dem Ausgang zu, so sieht man in der Hauptfassade direkt über der Empore, auf die typisch chilenisch Aufzüge führen, ein riesiges Buntglasfenster mit einer Mariendarstellung.

Das Abbild der Virgen del Carmen, der Schutzpatronin Chiles und besonders der chilenischen Streitkräfte.

Auch im Zentrum der Apsis steht ein Marienbild, hier in der Gestalt der Virgen del Carmen, der Jungfrau vom Berge Karmel, wie sie der katholische Karmeliter-Orden verehrt, der Teile Chiles missioniert hat. Durch eine seitlich angebrachte Treppe können Gläubige ihre Bitten direkt vor diese Marienstatue tragen und tatsächlich standen an diesem Sonntagnachmittag mehrere Chilenen betend in dem kleinen erhöhten Raum hinter dem eigentlichen Altar.
So hat der Templo Votivo nicht nur die Aufgabe durch seine monumentale Größe und seine imposante Architektur das Gedächtnis des Unabhängigkeitskampfes wach zu halten. Vielmehr hat er zugleich eine stark religiöse Prägung und dient als Wallfahrts- und Gebetsort. Seine herausragende Stellung als eines der kirchlichen Zentren des Landes kommt in den verschiedenen religiösen Festen und Feierlichkeiten (Cuasimodo, Fest der Virgen del Carmen am 16. Juli, Prozessionen etc.), die in und auf dem großen Platz vor dem Templo Votivo begangen werden, deutlich zum Ausdruck.

Blick durch die Überreste der alten Capilla de la Victoria, entlang der Längsachse des großen Vorplatzes auf den futuristischen Templo Votivo de Maipú.

Unter der Kirche gibt es das Museo del Carmen de Maipú, in dem religiöse Kunstgegenstände, Gefäße, Messgewänder, Reliquien sowie einige Möbel und Dokumente aus der Kolonialzeit ausgestellt sind.

Nach unserer Rückkehr beschlossen wir das gemeinsame Wochenende bei einer Flasche Rotwein. Conny und Achim mussten danach dringend ins Bett, wurden sie am Montagmorgen doch schon um 5:00 Uhr vom Hotel abgeholt und mit dem Transfer zu ihrem Flug nach Calama gebracht. Auf sich allein gestellt werden sie eine gute Woche lang die Atacama Wüste rund um San Pedro erforschen. Da wir selbst diese Gegend Chiles noch nicht gesehen haben, sind wir schon gespannt auf ihren Bericht.

Donnerstag, 16. August 2007

Rückblick

Wow, so schnell kann das gehen. Die Zeit verging rasend schnell und schon ist unser erstes Jahr in Chile vorbei.
Ziemlich genau können wir uns noch erinnern, wie wir am Morgen des 16.08.2006 nach 13-stündigem Nachtflug aus Madrid hier in Santiago ankamen. Etwas verloren waren wir am Anfang aufgrund unserer praktisch nicht vorhandenen Spanisch Kenntnisse ja schon - nein, hier spricht man doch kein Englisch, warum auch, wo ganz Südamerika spanischsprachig ist... Ganz Südamerika? Nein! Ein von unbeugsamen Brasilianern bevölkertes Land hört nicht auf sprachlichen Widerstand zu leisten. Aber selbst das funktioniert, da Portugiesisch und Spanisch so ähnlich sind, dass selbst Micha einem mathematischen Vortrag auf Portugiesisch grob folgen kann.
In der Uni funktionierte alles recht reibungslos - klar, da sprechen die meisten ja Englisch - und wir konnten erstmal unsere Gästewohnung beziehen. Die nächsten größeren Herausforderungen taten sich jedoch schon in Form von offiziellen Anmeldeformalitäten und der Suche nach einer eigenen Wohnung auf. Diese Hürden meisterten wir nur mit einiger zusätzlicher Hilfe (Vielen Dank an ChileInside!) und so war klar, dass wir ohne Spanisch nicht lange in Santiago überleben würden. Silke begann daher fleißig einen 3-monatigen Spanisch-Intensivkurs und damit ging dann vieles leichter.
Nachdem wir uns in Santiago gut genug auskannten, wir unsere neue Wohnung bezogen und auch die chilenischen Nationalfeiertage gut überstanden hatten - wir freuen uns schon auf den nächsten Dieciocho in gut 4 Wochen, wagten wir bereits im Oktober erste Ausflüge in die Umgebung. Das Wochenende in La Serena gefiel uns dabei am besten und wir werden sicherlich nochmal einen Kurztrip dorthin unternehmen.
Da Silke nach drei Monaten Sprachkurs der Sinn nach etwas anderem stand, nahm sie das Jobangebot von ChileInside an - die neuen Kolleginnen kannten wir ja schon von unserer Wohnungssuche - wo Silke inzwischen seit Dezember arbeitet. Auch wenn sie von Zeit zu Zeit das Unterrichten an der Schule vermisst, gefällt ihr die neue Aufgabe und die Arbeit macht Spass.
Eine interessante Erfahrung war dann unser erstes Weihnachtsfest im Sommer, so ganz anders als in Deutschland und aufgrund der hohen Temperaturen ganz ohne Weihnachtsplätzchen und Glühwein. Dafür hatten wir aber einen Araukarien-Weihnachtsbaum und Geschenke gab es natürlich auch.
Das dank der Arbeit im Büro immer besser werdende Spanisch von Silke nutzten wir im Januar um ein Auto zu kaufen und seither begleitet uns El Rojo auf unseren Ausflügen. Mit dem neuen Flitzer waren wir zudem gut gerüstet für unseren Urlaub. Im Februar bereisten wir in einer Woche die Regionen zwischen Chillan und Pucon und lernten so etwas mehr vom Land kennen. Kurz darauf bekamen wir dann Besuch aus Deutschland. Silkes Eltern blieben drei Wochen in Chile, wir verbrachten eine gemeinsame Woche in der Region Los Lagos, wo man den aus der Kolonialzeit stammenden deutschen Einfluss noch deutlich spüren kann und unternahmen zusammen einige nette Wochenendausflüge. Chile scheint den beiden so gut gefallen zu haben, dass sie uns in einer Woche schon wieder besuchen werden.
Ostern verlief nicht viel anders als in Deutschland, selbst wenn hier der Ostermontag kein Feiertag ist. Nach einem langen heißen chilenischen Sommer kehrte langsam der Herbst ein. Noch immer war das Wetter aber ausgezeichnet und wir unternahmen mehrere Wochenendausflüge mit El Rojo. Die Fahrt nach Mendoza war dabei sicher das Highlight.
Ab Juni hielt dann der chilenische Winter Einzug. Zwar gab und gibt es immer noch einzelne sonnige Tage, an denen die Temperaturen bis auf knapp 20 Grad ansteigen, meist ist das Wetter aber grau, der Himmel wolkig und die Temperaturen liegen um die 5 Grad. Auch die Regenwahrscheinlichkeit, die im Sommer praktisch bei Null liegt, steigt deutlich an und sogar Schnee kann es ausnahmsweise einmal geben. Vielleicht nicht die allerbeste Zeit für einen Besuch in der Hauptstadt oder im jetzt unwirtlichen Patagonien. Aber immer nur Sommer und Sonne wäre ja auch langweilig und wenn einem das winterlich smogverhangene Santiago zu viel wird, kann man ja in den Hohen Norden fliegen oder ein Wochenende an der Küste oder in den nahegelegenen Skigebieten in den Anden verbringen. Da ist die Luft viel besser und oft spielt auch das Wetter mit. Aus unserer Erfahrung vom letzten Jahr wissen wir aber, dass der Winter nur noch bis Anfang September dauern wird. Danach ist dann wieder schwitzen angesagt.
Fast erschreckend ist, wie gut wir uns nach nur einem Jahr hier eingewöhnt haben. Die typisch chilenischen Eigenheiten bringen uns nur noch selten aus der Fassung und mit hartnäckigem Nachfragen kommen wir auch meist ans Ziel. Inzwischen haben wir sogar schon einige chilenische Unarten angenommen. So sind uns "Bei Rot über die Ampel gehen" oder "Auch bei dunkelst-orange noch fahren" schon in Fleisch und Blut übergegangen.
Die leckere chilenische Küche mit ihren deftigen Speisen, viel Fleisch (aber auch Fisch) machte es uns leicht sich auch kulinarisch einzuleben. Die sehr beliebten Fast-Food-Gerichte wie Empanada (verschieden gefüllte Teigtaschen), Completo (eine Art Hot-Dog "mit alles"), Churrasco (warmes Rindfleisch-Sandwich) oder Hamburgesa konkurrieren zu Mittag mit traditionellen Eintöpfen (Carbonada, Charquican, Porotos) und Aufläufen (Pastel de Choclo, Pastel de Papa, Asado Aleman). Abends darf es dann etwas mehr sein. Ein üppiges Essen im Restaurant, das niemals vor 20:00 Uhr beginnt, ist ohne einen Pisco Sour als Aperitif, eine Vorspeisenplatte inklusive Brot und Pepre (Zwiebel-Tomaten-Koriander-Öl-Mischung), ein Hauptgericht, Wein, ein süßes Postre (Nachtisch) und den typischen Pulverkaffee nicht komplett und zieht sich normalerweise über 1,5-2 Stunden hin. Klar, dass man da nicht abnimmt. Unsere Favoriten können wir dank eines chilenischen Kochbuches seit kurzem sogar zu Hause nachkochen.
Die fantastische und unheimlich vielfältige Natur und die atemberaubenden Eindrücke, die wir bisher sammeln und teilweise in Bildern festhalten konnten, tragen ihren Teil dazu bei, dass es uns hier sehr gut gefällt. Wo sonst findet man so viele geographische Rekorde? Ein nur 100km breites, dafür aber über 4000km langes Land; die trockenste Wüste der Erde mit ihren astronomischen Observatorien und dem trockenster Ort der Welt (Piados); die längste Gebirgskette der Erde mit dem höchsten Berg (Aconcagua) außerhalb des Himalaja; ein gutes Dutzend großer Seen, sowie einer der höchsten Seen der Welt (Lago Chungara); zig Vulkane, unter anderem der höchste Vulkan der Welt (Ojos del Salado) und der höchste noch aktive Vulkan (Guallatiri); das bisher stärkste Erdbeben der Welt (im Jahr 1960 in Valdivia mit einer Stärke von 9,5 auf der Richterskala); riesige Waldflächen mit einzigartiger Tier- und Pflanzenwelt; reiche Bodenschätze; fischreiche Gewässer; üppige Landwirtschaft; mystische Inseln (Osterinsel, Chiloe); Gletscher und Inlandeis in Patagonien und dazu noch ein Anteil an der Antarktis und das alles auf einer Fläche (ohne das Antarktis-Territorium), die nur doppelt so groß wie Deutschland ist.
Insgesamt ziehen wir nach 12 Monaten ein sehr positives Fazit. Wir freuen uns auf das vor uns liegende zweite Jahr hier in Chile und hoffen auf genauso viele schöne, neue und spannende Eindrücke. Genug zu entdecken und erkunden gibt es ja.

Donnerstag, 9. August 2007

Schnee in Santiago (Bericht 19)

Da sage noch mal einer in Chile würde es keinen Winter geben!
Anders als noch vor einigen Tagen, als die Höchsttemperaturen bei sonnigen knapp 20 Grad lagen und keine einzige Wolke am blauen Himmel zu sehen war, präsentierte sich der gestrige Tag wieder einmal ungemütlich, mit bedecktem Himmel und ab mittags mit Regen. Die Temperaturen lagen bei 5-10 Grad. Am Abend spürte man eine nochmalige deutliche Abkühlung, während der Regen weiter anhielt. Wir waren beide froh, als wir nach der Arbeit endlich zuhause ankamen und es uns in unserer, dank Fußbodenheizung, mollig-warmen Wohnung gemütlich machen konnten. Da störte auch das Geräusch der gegen die Fenster fallenden Regentropfen nicht weiter.
Kurz vor 23:00 Uhr ging der Regen dann in Schnee über; ein Phänomen, das in der Innenstadt von Santiago zuletzt vor 8 Jahren, im September 1999 beobachtet werden konnte.

Schnee auf Santiagos Straßen, da staunten die Einwohner. (Photo: El Mercurio)

Dementsprechend waren natürlich auch die Reaktionen der Einwohner. Das espectáculo blanco musste sofort ausgiebig begutachtet und mit Handykameras festgehalten werden. Selbst Kinder waren um diese späte Uhrzeit noch auf den Straßen und Grünflächen der Stadt unterwegs, um den frischen Schnee zu genießen.

Palmen im Schnee, da bleibt man gerne mal stehen oder versucht direkt einen Schneemann zu bauen. (Photo: El Mercurio)

Als Micha gegen Mitternacht ins Bett gehen wollte, hatte unser Nachbarhaus schon eine richtige Schneehaube. Grund auch für ihn die Kamera aus dem Schrank zu kramen und vom Schlafzimmerfenster aus ein Bild zu machen.

Trotz einer Belichtungszeit von 2 Sekunden und ohne Stativ halbwegs gelungen.

Natürlich wurde Silke, die wie üblich schon um 22:30 Uhr schlafen gegangen war, vom Geräusch des Photoapparats wach und konnte so ebenfalls einen Blick auf die nächtlich-weiße Pracht werfen.

Die ungewöhnlichen Schneefälle dauerten bis in die frühen Morgenstunden an und erstreckten sich über die Stadtviertel im Osten (Las Condes, Lo Barnechea, Vitacura, Providencia) und im Zentrum der Stadt bis hin nach Quilicura, Quinta Normal, La Florida und Maipú im Westen.

Blick über die Dächer unserer Nachbarschaft in Providencia am frühen Morgen.

Die Niederschlagsmenge lag bei knapp 20 mm, was dann doch einer Schneeschicht von mehreren Zentimetern entspricht. Natürlich waren die Schneefälle in den höher gelegenen Stadtteilen, auf dem Cerro San Christobal und in den Anstiegen zur Anden-Vorkordilliere noch ausgeprägter.

Blick über das Nachbardach; die Bäume haben schon keinen Schnee mehr.

Bis 8:00 Uhr morgens war aber schon ein Teil des Schnees wieder weggetaut, was bei einer Außentemperatur von 0 Grad und der Abwärme der nur mäßig isolierten Wohnhäuser kein Wunder ist.

Die im Hof geparkten Autos hatten um Mitternacht eine dickere Schneeschicht als am Morgen.


Verglichen mit der Nachtaufnahme liegt viel weniger Schnee auf dem Dach (Sonnenseite).

Wie nicht anders zu erwarten führt der überraschende Wintereinbruch in Santiago zu kleineren Problemen. So gab es etliche Blechschäden, da die Autos auf den doch stellenweise glatten Straßen mit ihren Sommerreifen ins Rutschen kamen. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel waren in den frühen Morgenstunden wohl noch davon betroffen. Beispielsweise kamen die Busse in Lo Barnechea einen Hügel nicht mehr hinauf und mussten auf halber Strecke stehen bleiben. Im Cajón del Maipo und den Wegen, die in die Vorketten der Anden führen kam es teilweise zu Straßensperrungen und einige hochgelegene Siedlungen waren kurzzeitig von der Außenwelt abgeschnitten. Die Skigebiete am Westhang der Anden dürften sich dagegen über den Neuschnee gefreut haben.
Im Ostteil der Stadt brachen vom Schnee beschwerte Äste von den Bäumen und fielen auf die allerorts überirdisch verlegten Stromleitungen, wodurch Kurzschlüsse und kleinere Stromausfälle verursacht wurden.

In Lo Barnechea brach ein Wellblechdach unter der "Schneelast" zusammen. Besser man stellt sein Auto nicht unter eine so schwache Konstruktion. (Photo: El Mercurio)

Durch die niedrigen Temperaturen entstand zudem ein wahrer Run auf die Obdachlosenunterkünfte, so registrierte das eigentlich nur auf 240 Personen ausgelegte Refugio "Víctor Jara" bis Mitternacht 350 vor der Kälte schutzsuchende Menschen.
Inzwischen (um die Mittagszeit) hat sich die Gesamtsituation in Santiago wieder normalisiert, auch wenn der Bildungsminister den Schulen freigestellt hat, heute den Unterricht ganztägig ausfallen zu lassen. Dies scheint aber nur in den im Osten der Stadt und im Cajón del Maipo gelegenen Schulen wirklich nötig gewesen zu sein.
Auch Morgen und am Samstag soll die Minimumtemperatur in Santiago weiter bei -3 Grad liegen. Um es mit den Worten einer chilenischen Nachrichtensprecherin zu sagen "Estamos en el corazón del invierno."; von Herzenswärme ist da trotzdem nichts zu spüren. Voraussichtlich wird es aber keine weiteren Niederschläge mehr geben. Schnee liegt dann wohl nur noch in den Höhenlagen.

Stärker vom Winter betroffen scheinen dagegen die Regionen südlich von Santiago zu sein, wo es bereits seit zwei Tagen heftig geschneit hat.

Die palmenbestandene Plaza in Curicó. Während unseres Urlaubs im Februar sah es hier ganz anders aus. (Photo: El Mercurio)


Zu Fuß entlang der verschneiten Straße, das ist sicher kein angenehmer Ausflug und zudem kann man nur hoffen, dass die Autos rechtzeitig bremsen können. (Photo: El Mercurio)

Obwohl man versucht, die Autobahn und die Hauptverkehrsadern mit allen Mitteln befahrbar zu halten...

Gegen Eis und Schnee wird hier Men-Power eingesetzt; Schneepflug und Streufahrzeug gibt es wohl nicht. (Photo: El Mercurio)

kam es auch hier auf den glatten Fahrbahnen zu vielen Unfällen.

Das gute Super-Pollo im Graben, da gibt es nächste Woche wohl kein Hühnchen zu Mittag. (Photo: El Mercurio)

Schlimmer scheinen sich die in das Zentraltal vorgedrungenen kalten Luftmassen aus der Antarktis aber in der Landwirtschaft bemerkbar zu machen. Dies wäre der mit Abstand kälteste Winter seit 10 Jahren, berichten die Nachrichten.

Bepflanzte Felder im Schnee. (Photo: El Mercurio)

Die Kältewellen hätten die Obst- und Gemüseplantagen in dieser Region bereits jetzt stark angegriffen und man fürchtet der jetzt gefallene Schnee könne zu erheblichen Ernteeinbußen bei Äpfeln, Birnen, Weizen und Avocados (Palta) führen, wodurch die Preise weiter ansteigen würden.

Gefrorene Orangen; die kann der Bauer direkt als Sorbet verkaufen. (Photo: El Mercurio)

Anscheinend überall auf der Welt das gleiche Problem.

Sonntag, 5. August 2007

Aus 1 mach 3, oder die Suche nach einem Trafo

Nachdem wir unsere Einrichtung ja aus Deutschland mit nach Chile gebracht hatten und deshalb bisher nicht im großen Stil Möbel etc. kaufen mussten - wir haben eher gelegentlich und nie unter Druck ein paar Sachen erstanden - ergab sich vor einigen Wochen doch eine Art "Notsituation". Funktionierte doch von einem auf den anderen Tag unsere Halogen-Esszimmerlampe nicht mehr. Micha prüfte zunächst die Leuchten, stellte aber schnell fest, dass der Transformator sein Leben ausgehaucht hatte. Tja, auch die Qualitätsware eines schwedischen Möbelhauses hält halt nicht ewig...
Da wir die alte Lampe aber behalten wollten, war klar, dass ein neuer Trafo her musste. Nur wo findet man in Santiago einen passenden?
Erschwerend kam hinzu, dass Micha zwei Tage später zu einer Konferenz nach Paris flog, vorher also kaum die Chance bestand das Problem zu lösen und Silke so schon mal 2 Wochen im Halbdunkel zu Abend essen musste. Nach Michas Rückkehr ging es samstags direkt frisch ans Werk.
Erster Versuch war natürlich einer der großen Baumärkte. Tatsächlich haben diese immer eine Lampen-, Schalter & Steckdosen- und Elektroabteilung. Nach einigem vergeblichen Herumsuchen zeigten wir den ausgebauten alten Trafo einem Verkäufer mit der Bitte um Hilfe. Der sah sich das Kästchen kurz an und meinte dann, er hätte nur Trafos für die Steckdose und wir sollten doch so einen nehmen. Ein von der Deckenlampe herunterhängendes Kabel bis zur nächsten Steckdose war aber nicht nach unserem Geschmack, von der sicherlich zu kleinen Leistung eines solchen Trafos mal ganz abgesehen. Im zweiten Baumarkt, sozusagen bei der direkten Konkurrenz, konnte man uns ebenfalls nicht weiterhelfen und auch auf die Frage nach einem Alternativladen ernteten wir nur ein Schulterzucken des Verkäufers; vielleicht in einem größeren Lampengeschäft, nur wo gab es ein solches?
Es verging erstmal wieder eine Woche mit Abenden in auf die Dauer nicht mehr romantischer Düsternis. Das bisschen Licht von dem Strahler aus unserem Flur war einfach zu schwach um gemütlich im Wohn-/Esszimmer zu sitzen. Silke machte schon den nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag doch eine der im Fernsehen ständig beworbenen "fantastischen" Sticking Bulbs zu bestellen, eine Art batteriebetriebener Glühbirne, die man einfach irgendwo festkleben kann und so immer und überall Licht hat - zumindest solange die Batterie noch Strom liefert. Da das auch nicht die perfekte Lösung zu sein schien, machten wir uns am folgenden Wochenende wieder auf die Suche.
Micha hatte die Idee, es in der Innenstadt zu versuchen. Er kannte dort einen großen Elektronikladen, das Casa Royal, direkt an der Alameda; also nichts wie hin. Leider wieder das gleiche Szenario. Immerhin bekamen wir auf Nachfrage die Adresse eines weiteren Ladens genannt, gleich zwei Straßen weiter. In dem von außen völlig unscheinbaren Geschäft konnte man uns zwar auch keinen passenden Trafo verkaufen; wir bekamen aber wieder eine Adresse diesmal mit dem Zusatz "im Keller". Ohne diese Information hätten wir das Geschäft auch nie gefunden. Ganz versteckt, am Ende einer schmalen Treppe im Untergeschoss eines Bürogebäudes lag ein winziger Verkaufsraum. Micha fühlte sich in seine Jugend zurückversetzt, wo man die Einzelteile für elektrische Schaltungen oder Computerhardware auch in Deutschland so einkaufte - Zeiten als es noch nicht in jeder größeren Stadt eine Filiale von Conrad-Electronics gab. 3-4 Quadratmeter Stehfläche für Kunden, dahinter eine vollgestellte Glastheke und an den Wänden und auf dem Boden kistenweise etliches an Elektronikbauteilen, eine typische Fundgrube für Bastler, nur leider wieder kein geeigneter Transformator. Die nette Verkäuferin hatte diesmal aber gleich zwei Tipps auf Lager, dummerweise in völlig entgegengesetzten Richtungen und eine weit außerhalb jeglicher Laufdistanz. Die Sache schien zu einer wahren Schnitzeljagd durch Santiago zu werden.
Interessant ist auch, dass wir so gut wie nie den Namen eines Geschäftes, sondern immer nur Straße und Hausnummer gesagt bekamen. Vielleicht eine Art Schleichwerbung zu vermeiden, indem man nur die Adresse angibt? Aber genau genommen reicht diese Angabe ja auch und wer merkt sich schon Namen.
Wir jedenfalls beschlossen immer noch zu Fuß die näher gelegene Adresse aufzusuchen, die gut 15 Blocks entfernt war. Auf dem Weg dorthin ging es durch einen bisher noch nicht besuchten geschäftigen Teil Santiagos. Hier wurden vor allem jegliche Autoersatzteile und massenweise Fahrräder angeboten. Fragt sich nur, wo all die verkauften Bicicletas bleiben, auf den Straßen von Santiago zumindest sieht man äußerst selten mal ein Fahrrad, was aufgrund des starken Verkehrsaufkommens und der fehlenden Radwege mehr als verständlich ist. Unterwegs fanden wir ein kleines Geschäft, das ausschließlich Transformatoren verkaufte, eigentlich genau das was wir gesucht hatten. Hinter dem Verkaufstresen saß Zeitung lesend eine Frau, die auf unsere Frage - sie schaute unserem alten Trafo nicht einmal an - sofort antwortete, dass sie so etwas nicht führen würden. Völlig verkehrte Welt wie es schien. Micha wäre fast ausgerastet. Da die Frau aber anscheinend sowieso keine Ahnung von Elektrik hatte, machte es keinen Sinn zu diskutieren. Wir also noch 2 Blocks weiter zu unserem eigentlichen Ziel.
An der Ecke Avenida Matta mit San Diego erreichten wir endlich die Casa Musa, wieder ein recht großes Elektrogeschäft. Die Hoffnung stieg nach dem letzten Tiefschlag wieder etwas. Wir stellten uns in die Schlange und warteten bis wir an der Reihe waren. Der Verkäufer sah sich unseren Trafo genau an, überlegte etwas - schon mal ein Anfang - meinte dann aber, dass er leider keinen Ersatz hätte. Silke erzählte dann, dass wir schon in 5-6 Geschäften gewesen wären und so langsam keine Ideen und auch keine Lust mehr hätten, woraufhin der Angestellte uns wiederum eine neue Adresse angab. Der Laden wäre nur 2 Blocks entfernt, würde sich Transformadores irgendwas nennen und hätte mit Sicherheit ein passendes Gerät. Mit letzter Kraft machten wir uns auf den Weg, wobei Micha kurzzeitig darüber nachdachte, ob es sich wohl zufällig um den gleichen Laden handelt, in dem wir vorher so rüde abserviert wurden. Zum Glück stellte sich diese Vermutung aber als falsch heraus.
Wir betraten ein mittelgroßes Geschäft, in dem sich zwei männliche Verkäufer um mehrere Kunden kümmerten. Während des Wartens schaute sich Micha schon mal um und Silke lauschte den Verkaufsgesprächen, alles recht viel versprechend. Als wir an der Reihe waren schaute sich der Angestellte unseren Trafo an, meinte er hätte zwar ein von den Leistungsdaten ähnliches Modell, dieses wäre aber deutlich größer. Nachdem wir ihm ausführlich erklärt hatten, dass der Trafo in unsere Lampe passen müsse, überlegte der Verkäufer kurz, fragte dann wie viele Halogenstrahler die Lampe denn hätte und schlug uns vor, jeden der drei Strahler an einen eigenen Trafo anzuschließen. Die entsprechenden Transformatoren wären klein - er holte gleich einen zur Ansicht - und würden auch nur je 2,800 Pesos (etwa 4 Euro) kosten. Micha schaute sich die Leistungsdaten an, meinte, dass rechnerisch sogar zwei dieser Trafos ausreichen müssten und zwei auf jeden Fall auch in das Lampengehäuse passen würden. Nach kurzer Diskussion entschieden wir uns dann aber doch für drei Exemplare, was das Verkabeln etwas einfacher macht und zudem noch eine Leistungsreserve bereithält. Wie in Chile üblich bekamen wir eine Rechnung ausgestellt, die wir dann am Kassenschalter gegenüber bezahlten. Wie wir feststellten, hatte uns der Verkäufer sogar von sich aus noch 400 Pesos Mengenrabatt gegeben, super nett und zudem noch kompetent. Mit der Quittung ging es danach wieder zurück zu unserem Verkäufer, wo wir gegen Vorlage der Quittung die Ware entgegennehmen konnten.
Nach mehr als 2 stündiger Wanderung durch (wie es uns schien) alle Elektroläden Santiagos waren wir endlich erfolgreich gewesen. Man muss nur lange genug suchen, darf die Hoffnung nie aufgeben und muss sich immer hartnäckig durchfragen, dann bekommt man alles.
Am Nachmittag schloss Micha dann alle Kabel an und baute die drei Transformatoren in unsere Lampe ein (Mit etwas Drücken passten sie gerade so in das Gehäuse) und nach gut 10 Minuten Arbeit hatten wir endlich wieder Licht an unserem Esszimmertisch.
Fazit: Drei Trafos statt einem, funktioniert perfekt, war für deutsche Maßstäbe auch noch recht günstig, wenn auch langwierig und nervig und hat den Vorteil, dass wir in Zukunft wohl nie mehr völlig im Dunkeln sitzen werden, denn die Wahrscheinlichkeit, dass drei Trafos gleichzeitig ausfallen ist verschwindend gering.