Silke und Micha in Chile

Mittwoch, 30. Januar 2008

Ein Asado im Cajon de Maipo

Das sommerlich heiße Wetter Ende Januar nutzten wir wieder einmal zu einem fast typisch chilenischen Grillfest. Da wir zwei befreundete Paare eingeladen hatten ging es am Sonntagmorgen erstmal zum Grosseinkauf in den Supermarkt. Neben leckerem Rindfleisch, Schweinerippchen und Chorizos (=kurzen Schweinewürstchen) kamen auch Tomaten, Palta (=Avocados), Zucchini und zwei Maiskolben in den Einkaufswagen; dazu noch ein Sack Holzkohle, ein Grillanzünder aus in Tablettenform gepresstem Trockenalkohol, Getränke und natürlich ein Kuchen.
Silke bereitete schon zuhause einen Salat vor, wir packten Plastikgeschirr, Grillbesteck, Salz etc. in zwei große Tüten, die restlichen Lebensmittel in unsere Kühlbox und auf den Autorücksitz und los ging es mit El Rojo in Richtung Anden.
Der Cajon de Maipo erstreckt sich südwestlich von Santiago und kurz vor dem Örtchen San Jose gibt es einen nett angelegten Park direkt am Fluss mit großer Rasenfläche sowie schattig unter Eukalyptusbäumen gelegenen Grillplätzen. Bisher hatten wir unsere Asados hier immer samstags veranstaltet, wo auch um die Mittagszeit noch gut ein Park- sowie ein Grillplatz zu ergattern war. Erstaunt mussten wir feststellen, dass dort sonntags deutlich mehr los ist. Die untere Parkplatzfläche war bereits belegt und so mussten wir unsere Sachen einmal quer durch den Park schleppen. Unbelegte Grillplätze gab es zu Glück noch genug und so ließen wir uns an einem gemütlichen Fleckchen nieder.
Während sich Silke ums Auspacken kümmerte, schürte Micha schon mal den Grill an, was dank des neuen Anzünders super schnell ging. Von diversen Asados bei unseren chilenischen Bekannten haben wir inzwischen die Kniffe und Tricks gelernt und so wurde der Grillrost anschließend mit einer Zwiebel gereinigt, deren Saft zudem dafür sorgt, dass das Rindfleisch nicht am heißen Metall kleben bleibt. Als wir gerade mit den Vorbereitungen fertig waren, trafen auch schon unsere Bekannten ein, so dass das Grillen direkt losgehen konnte.

Fünf hungrige "Chilenen" am Tisch, die sechste musste leider das Photo machen - danke Caroline - und fehlt daher.

Der Ablauf eines chilenischen Asados ist mehr oder weniger festgelegt. Insgesamt ist solch ein Event in Chile eher als geselliges Familientreffen zu sehen und zieht sich über den gesamten Nachmittag, bis zum frühen Abend hin. Man sollte daher immer genug Zeit und vor allem Hunger mitbringen.
Zur Begrüßung gibt es zunächst einen Pisco Sour oder auch einen Mango Sour, sowie etwas zum Knabbern, meist Erdnüsse mit Rosinen, Chips oder Kräcker mit Käse- und Salamiwürfeln.
Während sich die Männer um den Grill scharen, kümmern sich die Frauen dann um die Salate. Meist werden Tomaten, Zwiebeln und Paltas in geselliger Runde direkt vor Ort geschnitten. Mit unserem vorbereiteten Salat blieben da allerdings nur noch die Avocados (die man möglichst kurz vor dem Verzehr schält, da sie sonst hässlich braun wird).
Als erstes kommen dann die Chorizos auf den Grill. Kurz bevor diese fertig sind, röstet man schnell noch ein paar Maraketa-Brötchen, die man dann aufschneidet, je eine Chorizo hineinlegt und anschließend als Choripan (=Wurst im Brot) aus der Hand isst. Der erste Hunger wäre damit schon mal gestillt.
Der zweite Gang, auf den wir an diesem Tag allerdings verzichtet haben, besteht üblicherweise aus Hähnchenschlegeln, die schon auf dem Grill liegend mit Zitronensaft beträufelt werden. Dazu gibt es dann Salat und Brot, sowie ein erstes Glas Rotwein.
Weiter geht es entweder mit Costillar, Schweinerippchen, die aber am Stück auf den Rost gelegt und erst am Ende zerteilt werden und die hier auch viel fleischiger sind als die spärlichen Spar(e)rips in Deutschland. Alternative hierzu ist das Asado de Tira, dünne Streifen vom Rind, aus denen die quer zum Knochen geschnittenen Rippen herausschauen. Beides sehr lecker, aber man muss sich halt für eines entscheiden.
Als Abschluss kommt dann noch eine halbe Kuh am Stück auf den Grill, so könnte man das als Europäer zumindest auffassen, denn in Südamerika wird auch das Rindfleisch erst nach dem Grillen in Stücke geschnitten. Hierbei hat man die Auswahl zwischen Lomo liso (glatter Rücken mit einem Fettrand an der Seite), Lomo vetado (einem leicht fettdurchzogenem Rückenstück) oder Filete (Rinderlende), was zum Grillen schon fast zu schade ist. Wie auch immer man sich entscheidet, man legt das ganze Stück (so ein Kilo aufwärts) ungewürzt auf den Grillrost. Erst nach dem Wenden würzt man es mit grobem Salz, nicht mehr, um den Rindfleischgeschmack nicht zu übertönen. Wenn das Stück sehr dick ist, schneidet man es nach dem Grillen von beiden Seiten einmal in der Mitte ein, faltet die entstandene Tasche auf und grillt so die vorherige Innenseite nach. Erst am Ende schneidet man das Fleisch in Stücke und serviert es. Dazu gibt es wieder Salat, gekochte/gegrillte Kartoffeln und Rotwein.
Ganz unchilenisch lagen auf unserem Grill an diesem Tag noch die beiden Maiskolben und diverse Zucchinischeiben - hat hoffentlich kein Chilene so genau hingesehen...

Schon fast alles aufgegessen, aber ein paar Reste bleiben halt immer.

Meist ist man nach einem Asado so satt, dass man eine kleinere Pause braucht. Wir haben uns dann auch im Schatten sitzend erstmal eine Weile unterhalten und einen kleinen Spaziergang zum nahe gelegenen Fluss unternommen. Sobald das größte Völlegefühl dann überwunden war gab es zum Nachtisch den mitgebrachten Kuchen, denn ohne Postre ist in Chile kein Essen komplett. Gegen 17:30 Uhr machten wir uns schließlich, nach einem schönen und entspannenden Tag im Grünen, fernab der Großstadt, auf den Rückweg nach Santiago.

Mittwoch, 2. Januar 2008

Ein feuriger Jahresauftakt (Bericht 27)

Von unseren Erfahrungen mit den chilenischen Erdbeben haben wir ja schon mehrfach berichtet und dass es in Chile entlang der Andenkette zahlreiche teils noch aktive Vulkane gibt, davon zeugen auch schon einige Bilder in diversen Berichten dieses Blogs. Bisher waren diese aber alle ganz brav und haben höchstens mal ein Rauchwölkchen ausgestoßen.

Der schneebedeckte Doppelkegel des Llaima im Parque Nacional Conguillio ...

Neu ist daher, dass so ein schlafender Koloss mal erwacht und in diesem Fall fast pünktlich zum Jahreswechsel ein Naturfeuerwerk veranstaltet. Sehr zu Michas Ärger liegt der Llaima, gewissermaßen der Hauptakteur dieses Berichts, gut 650km südlich von Santiago (siehe die Turistel-Karte der Region um Temuco; der Llaima liegt dort in der nord-östlichen Ecke), so dass man in der Hauptstadt seinen Ausbruch nur über die Medien verfolgen konnte. Micha hat heute Morgen schon kurz überlegt mit dem Auto in die 9. Region zu fahren, wo wir im Februar eine Woche Urlaub gemacht hatten und es uns sehr gut gefallen hatte. Leider muss er genau wie Silke ja arbeiten und so wurde es nichts mit einer selbst erlebten Vulkaneruption. Schade, aber zum Glück versorgte uns El Mercurio mit Informationen und Bildern, so dass wir zumindest einen Bericht sozusagen aus zweiter Hand liefern können.

... und unser tapferer El Rojo, der die schwierige Piste aus feinkörniger, schwarzer Lava bis fast an die Schneegrenze bravourös meisterte.

Lag der 3125m hohe Llaima, einer der beiden geologisch aktivsten Vulkane Chiles, im letzten Februar noch völlig zahm inmitten seiner Lava-Asche-Wüste, so nahm seine Aktivität in den letzten Wochen zu und gestern Abend (01.01.2008) stieg vom Hauptkrater eine über 1000m hohe Fumerole (Rauchsäule) in die Luft. Gegen 18:00 Uhr schleuderte der Stratovulkan bereits Asche und festes Material aus seinem Schlot.

Dicker schwarzer Rauch steigt auf. (Photo: El Mercurio)

Das Comité Operativo de Emergencia der angrenzenden Gemeinde Melipeuco, das aus Feuerwehr, Polizei, Rettungskräften und lokaler Administration der 9. Region besteht, trat in Aktion. Mitarbeiter der Conaf und des Observatorio Vulcanológico de los Andes del Sur überflogen in Helikoptern die beiden Krater, wobei einige spektakuläre Bilder entstanden, die später an die Presse weitergegeben wurden.

Der Llaima aus der Luft ... (Photo: El Mercurio)

... kurz vor dem Ausbruch. (Photo: El Mercurio)

Nach Beratungen mit Geologen und weiteren Experten wurde Alerta Amarilla (Gelber Alarm) für die 4 an den Llaima angrenzenden Gemeinden ausgerufen. Dies bedeutet, dass die kommunalen Krisenstäbe zusammentreten und die Notfallpläne (bis hin zur eventuellen Evakuierung) ausgeführt werden.

Abendstimmung am Vulkan. (Photo: El Mercurio)

Die Parkverwaltung organisierte indes den Abtransport von 150 Touristen, Campern und Tagesausflüglern aus dem Parque Nacional Conguillio. Allerdings mussten zuletzt einige Parkwächter und eine Gruppe von Touristen am Conaf-Infozentrum ausharren, da durch die austretende Hitze große Mengen Schnee am Gipfel des Vulkans geschmolzen waren und das in Strömen an den Bergflanken herabfließende Schmelzwasser ihnen den Weg abgeschnitten hatte, bevor sie das Gelände verlassen konnten.

Rauch, Feuer, Glut und Lava. (Photo: El Mercurio)

Bei Einbruch der Nacht spuckte der Vulkan bereits heftig Lava und Flammen, die bis in die 120km entfernte Provinzhauptstadt Temuco sichtbar waren. Die Aktivität sei sehr intensiv und die Eruption die stärkste der letzten 50 Jahre teilte ein Sprecher des Krisenstabes mit.

(Photo: El Mercurio)

Aus sicherer Entfernung könne man das Fließen der Lava an den Hängen des kegelförmigen Vulkans beobachten. Bisher bewege sich die Lava Richtung Nord-Osten, in einen unbewohnten Sektor des Nationalparks, so der Sprecher. Begleitet wurde der Ausbruch von lautem Zischen, Donnern und unterirdischem Grollen.

(Photo: El Mercurio)

Ein Anwohner beschrieb das Ereignis wie folgt: "Die Eruption ist wirklich eindrucksvoll, sehr groß und breit, mit Feuerzungen und -säulen von mehreren hundert Metern Höhe und dem Ausfließen der Lava." und eine Mutter aus Temuco gab folgendes Statement an El Mercurio: "Zum ersten Mal sehen wir etwas derart beeindruckendes. Es gibt kaum Worte dafür. Zugleich fühlt man ein wenig Furcht. Die Kinder haben so etwas noch nie gesehen. Dies(es Spektakel) lässt sich keinesfalls mit dem Feuerwerk in Temuco vergleichen. Es ist einfach großartig."

Sieht fast aus wie geschmolzenes Metall bei der Stahlproduktion ... (Photo: El Mercurio)

Der letzte größere Ausbruch des Llaima liegt zwar erst 13 Jahre zurück, doch auch die gravierenden Eruptionen aus den Jahren 1956/57, bei denen drei Bewohner der Region ums Leben kamen, sind vielen älteren Chilenen noch im Gedächtnis.

... oder wie Feuerwerksraketen. (Photo: El Mercurio)

Melipeuco, das nächstgelegenen Dorf mit rund 3000 Einwohnern, nur 20km entfernt, sei momentan noch außer Gefahr, eine verstärkte, eventuell noch bevorstehende Haupteruption könnte allerdings die Evakuierung des Ortes erzwingen, wofür aber bereits ausgearbeitete Notfallpläne existierten und alle nötigen Vorkehrungen getroffen seien.

Melipeuco am Abend, direkt vor dem Ausbruch. (Photo: El Mercurio)

Obwohl bisher keine offizielle Stelle die Evakuierung angeordnet hat, verließen etliche Familien aus Furcht bereits Melipeuco und übernachteten unter freiem Himmel (zum Glück ist ja gerade Sommer) im Feuerschein des Vulkans. Die meisten Leute schliefen nicht - die Geräusche des Vulkanausbruches waren zu laut und furchteinflössend, sondern bleiben wach und beobachteten angespannt den Krater.

(Photo: El Mercurio)

Am Morgen (02.01.2008) war der Llaima von dichtem Nebel umgeben, der es nicht erlaubte, die noch immer im Park ausharrenden Touristen per Hubschrauber auszufliegen. Zwei Spezialfahrzeuge der Armee und ein Dutzend geländegängiger Jeeps holten die 53 Eingeschlossenen nach einer unruhigen Nacht im Conaf-Refugio schließlich auf dem Landweg zurück in Sicherheit. Der Nationalpark ist damit völlig menschenleer und bleibt auch auf unbestimmte Zeit geschlossen (zumindest bis sich der Vulkan beruhigt hat und die Wege danach wieder in Stand gesetzt wurden). Für die erwarteten 40.000 Touristen der Sommersaison sicher eine herbe Enttäuschung und für die Region ein finanzieller Verlust.
Auch am heutigen Mittwoch stieg wieder eine hohe Rauchsäule aus dem Vulkanschlot, die sich Richtung Osten zur argentinischen Grenze hin ausbreitete.

Am Tag nach dem Ausbruch. (Photo: El Mercurio)

Die bis zu 7km lange Wolke und die Ascheniederschläge erzwangen zudem die Schließung eines kleinen Flughafens auf argentinischer Seite der Anden. Die Eruptionen dagegen verloren bis zum Mittag deutlich an Intensität - wohingegen die Alerta Amarilla aufrechterhalten wurde - und vielleicht ist das Naturspektakel schon bald zu Ende.


So gemütlich wie auf unserem Bild wird man momentan und in der näheren Zukunft wohl kaum an der Laguna Verde sitzen und den Blick über die Araukarienwälder des Conguillio schweifen lassen können. Bleibt abzuwarten, wie lange die Aktivität des Llaima anhält und ob noch weitere Ausbrüche folgen. Die Araukarien mit ihrer dicken, selbst Feuer abweisenden Borke und ihren harten grünen Stacheln zumindest dürften den Ausbruch recht gut überstehen. Die raue urtümliche Natur im Conguillio hat sich über die Jahrhunderte anscheinend gut an Vulkanausbrüche angepasst, so dass ökologische Schäden hoffentlich gering ausfallen werden.